1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
Spatzen von den Dächern, dass es ihm Blücher an der Katzbach und Bülow in Dennewitz und Großbeeren ordentlich gegeben haben …«
»Was stand bei euch dazu?«, fragte Felix.
»Erst gar nichts. Dann: glänzende Siege! Und nach vier Wochen eine kleine Notiz, an der Katzbach seien die angeschwollenen Flüsse schuld daran, dass des Kaisers Truppen einen Tag lang nicht so erfolgreich wie gewohnt gewesen seien. Nicht so erfolgreich wie gewohnt – ha!«
»Wie in Russland. Nur dass diesmal nicht der Winter daran schuld war, sondern der Sommer«, spottete Greta.
»Ja, und wenn die Schlacht morgen zugunsten der Alliierten ausgeht, was wir alle hoffen und wofür Gott und Blücher sorgen mögen, dann sind nicht Preußen, Russland und Österreich seine Hauptfeinde, sondern Sommer, Herbst und Winter, witzeln die Leute«, meinte Hermann hörbar vergnügt.
»Erzähl von der Schmähschrift gegen Bernadotte!«, forderte Greta ihn auf.
Diesmal klang Hermanns kurzes Lachen bitter. »Die war wirklich schlimm. Ich bin mir nicht sicher, ob diesmal Mahlmanns Widerruf auf der Titelseite als Entschuldigung genügt, wenn die Alliierten gesiegt haben.«
»Und was druckt ihr über die Ereignisse der letzten Tage?«, wollte Felix wissen. »Die Leute sehen doch, was um sie herum vorgeht.«
»Lügen, nur Lügen. Gestern stand im Blatt, dass die Franzosen Dessau erobert haben, aber nicht, dass sie es nach drei Stunden schon wieder verlassen mussten. Solche Dinge, verstehst du? Die Leipziger erzählen sich natürlich ganz andere Geschichten: dass Thielmann im Gebiet zwischen Weißenfels und Naumburg unangefochten das Sagen hat, dass er Augereau heftig eins übergezogen haben soll. Und auch dein Rittmeister machte wieder mit großartigen Streichen von sich reden. Die Leute lieben sie dafür. Es heißt, die Streifkorps haben Tausende von den in Dresden gefangenen Österreichern befreit, die über Leipzig nach Erfurt eskortiert werden sollten. Es seien kaum noch Kriegsgefangene in Erfurt angekommen …«
»Denkst du wirklich, ihr werdet heute noch eine Zeitung setzen?«, fragte Greta skeptisch.
»Das wird sich zeigen. Vielleicht werden wir auch alle zu Schanzarbeiten geschickt. Ich bin gespannt, ob und was wir zu den Kämpfen gestern hereinbekommen. Aber es widert einen schon an …«
»Wir brauchen das Geld!«, mahnte Greta.
»Ich weiß.«
Jette hörte Stühle rücken, dann Hermann sagen: »Ich muss jetzt los. Pass auf dich auf, Liebes, und auf unser Kleines. Und du, Paul, machst deiner Mutter keinen Ärger, sind wir uns darin einig?«
»Ja, Vater«, erklang eine helle Stimme.
»Felix, lass dich zum Abschied umarmen. Gott möge dich behüten. Komm gesund wieder! Wir kümmern uns derweil um dein Mädel.«
»Sie ist nicht mein Mädel«, vernahm Jette Felix’ leisen Einspruch.
Eine Tür ging knarrend auf und zu, eine Weile herrschte Stille, dann war das Klappern von Geschirr zu hören.
»Ich sollte wohl auch aufbrechen«, sagte Felix. »Gern hätte ich mich noch von Henriette verabschiedet. Aber soll sie schlafen und sich ausruhen. Vielleicht ist es besser, so zu gehen …«
Er sprach den Satz nicht zu Ende.
Doch da warf Henriette schon die Bettdecke beiseite und rief zur Tür: »Warte! Geh noch nicht! Ich bin wach!«
So schnell sie konnte, schlüpfte sie in Strümpfe, Unterkleid und Kleid, schloss mit zittrigen Händen die Häkchen auf dem Rücken, strich sich mit den Fingern durch die Haare und trank einen Schluck von der kalt gewordenen Milch, um den trockenen Geschmack im Mund loszuwerden.
Dann öffnete sie mit wild klopfendem Herzen die Tür und stand in der winzigen, aber gemütlichen Küche der jungen Leipziger Familie.
»Guten Morgen!«, sagte sie verlegen.
Der kleine Paul sprang vom Stuhl auf. »Guten Morgen, Fräulein, haben Sie gut geschlafen?«, fragte er ausgesucht höflich und verneigte sich sogar.
Jette musste lächeln. »Ich heiße Henriette, Jette für meine Freunde. Und ich würde mich freuen, wenn alle hier du zu mir sagen, wenn ich schon so gastfreundlich aufgenommen werde.«
Nun lächelte auch Greta. »Du bist richtig. Sonst hätte Felix dich nicht mitgebracht. Komm, setz dich, iss etwas Haferbrei.«
Sie füllte ihr eine Schüssel und stellte sie auf den Tisch.
Mit einem Seitenblick auf Felix setzte sich Jette, bedankte sich und fing vorsichtig zu essen an. Nein, er unternahm noch keine Anstalten zu gehen. Und ihr wurde auch nicht schlecht; den Brei schien sie im Magen behalten zu können.
Nur in
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