1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
Napoleons Verbündeten, scheint aber auf Abstand gehen zu wollen. Werden sich gar Sachsen
und
Österreich der preußisch-russischen Allianz anschließen?
Nur eines darf nicht geschehen: dass der König zu Napoleon zurückkehrt! Mit wachsender Ungeduld wartete Thielmann deshalb auf die Entscheidung aus Prag.
Mit Einverständnis und im Auftrag seines Königs war er nach Dresden gereist, zu Audienzen bei Kaiser Alexander von Russland und König Friedrich Wilhelm von Preußen. Er hatte ihnen auf Ehrenwort versichert, dass er keinen Franzosen in Torgau einlassen und keinen Angriff gegen preußisch-russische Verbände führen werde. Eine wichtige Zusage für die Alliierten.
Doch die bedrängten ihn, sie wollten sofortigen Zutritt zur Festung und schwere Geschütze von ihm, um Wittenberg einzunehmen, die nächste große sächsische Festung an der Elbe. Das aber durfte er nicht, ohne gegen seine Befehle zu verstoßen.
Er sei eben kein Yorck, hatte ihm der Freiherr vom Stein verächtlich vorgeworfen, wenn er den Preußen die Festung nicht übergab. Doch der rastlose und oft auch grob unhöfliche vom Stein wollte eines nicht sehen: Yorck hatte
keine
Befehle und konnte nach eigenem Ermessen handeln, als er im Dezember in Tauroggen ohne Wissen des Königs von Preußen das Neutralitätsabkommen mit den Russen schloss. Er, Thielmann, hatte hingegen den
ausdrücklichen
Befehl seines Königs, Torgau
niemandem
auszuliefern.
Auch die Begegnung mit Friedrich Wilhelm von Preußen verlief wenig erfreulich. Der preußische König verübelte den Sachsen immer noch, nach der Niederlage von Jena und Auerstedt die Seiten gewechselt zu haben, ohne ihn vorher davon in Kenntnis zu setzen.
Weil Thielmann dennoch mit dem Herzen aufseiten der Alliierten stand, spielte er ihnen zwei Elbfähren zu, beteuerte immer wieder, die Entscheidung des Königs zum Übertritt sei jeden Tag zu erwarten. Das war schon eine Gratwanderung hart an der Grenze zum Verrat, durch sein Gewissen und seine Hoffnung diktiert.
Von innerer Unruhe getrieben, ging er zum Kabinettschrank und holte daraus Scharnhorsts Brief vom 30 . März, um ihn noch einmal zu lesen. Der kluge preußische Generalstabschef verstand offensichtlich seine Lage genau.
»Aus einer in einer Freimaurerloge gehaltenen Rede weiß ich, dass Euer Exzellenz als ein echter Deutscher denken und dass ich mich daher vertrauensvoll an Sie wenden und die Angelegenheiten unseres Vaterlandes Ihnen vortragen darf. Wir wollen mit allen Deutschen, die ihres Vaterlandes wert sind, gemeinschaftliche Sache machen, das Joch, welches uns so hart drückt, abzuwerfen; wir wollen, dass jeder Fürst, jedes Land die ihnen zukommende Rechte genieße, welche durch Unterdrückung entrissen sind. Dies ist die Absicht des russischen Kaisers und des Königs von Preußen. Euer Exzellenz sind von diesem Geist beseelt, und ich hoffe daher keine Fehlbitte zu tun, wenn ich Sie im Namen unseres Vaterlandes ersuche, diesen großen Entwürfen gemäß zu handeln, soweit es Ihre Verhältnisse gestatten. Mein Adjutant, der Kapitän von Röder, überbringt diesen Brief, er ist mein Vertrauter, und ich stehe für seine Verschwiegenheit mit meiner Ehre in Hinsicht der etwaigen mündlichen Eröffnungen. Mit der innigsten Verehrung,
v. Scharnhorst.«
Lange starrte Thielmann auf diese eine Zeile: »Soweit es Ihre Verhältnisse gestatten …«
Scharnhorst wusste, dass er nicht weiter gehen durfte als bisher, solange keine neue Order aus Prag kam. Und um die Festung im Zuge eines Aufstandes zu übergeben, hätte er die Generalität hinter sich haben müssen.
Nicht aus Unvorsichtigkeit oder weil ihm das Herz überquoll, hatte er auf der von der Stadt pompös ausgerichteten Feier zu seinem achtundvierzigsten Geburtstag vor wenigen Tagen öffentlich die Ansicht bekundet, Sachsen müsse auf die Seite der Alliierten überwechseln. Er wollte in Erfahrung bringen, wie die Offiziere und seine Mannschaft dazu standen.
Das Ergebnis war niederschmetternd. Ein paar junge Offiziere stimmten ihm euphorisch zu, die Generäle von Steindel und Sahrer von Sahr hielten Brandreden, in denen sie unverbrüchliche Treue zu Frankreich forderten, und der Rest der Mannschaft gab zu erkennen, erst einmal abwarten zu wollen, wie sich die Dinge entwickelten. Der Blick des jungen Leibgrenadiers Franz von Dreßler ging ihm nicht aus dem Kopf – erschrocken und bedrückt darüber, dass in der sächsischen Armee offenbar keine Einigkeit mehr herzustellen war.
Und die
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