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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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sonntäglichen Kirchgang trug – und ging auf einen Mann mit grauem Bart zu, der Uniform nach ein Artillerist. Der kannte sich bestimmt hier aus.
    »Ich suche die Batterie der Reitenden Artillerie unter Kapitän von Hiller«, sprach sie ihn höflich an.
    Er sah sie an und bedeutete ihr, lauter zu reden, da er schlecht höre.
    Hätte ich mir denken sollen, ging es ihr durch den Kopf. Die werden ja alle früher oder später taub an ihren Kanonen. Also wiederholte sie ihr Anliegen, so laut sie konnte.
    »Reitende Artillerie? Die gibt es hier nicht, gute Frau …«, brüllte der Graubart zurück.
    Lisbeth dankte ihm, ließ sich aber nicht von ihrem ersten missglückten Versuch entmutigen.
    Sie fragte drei weitere Uniformierte in unteren Dienstgraden. Als ihr keiner Auskunft geben konnte, wartete sie geduldig, bis ein junger Offizier, der an einem Tisch neben dem prachtvollen Wendelstein auf dem Hof saß, in Listen blätterte und Namen von den frisch eingetroffenen Rekruten verglich, einen Moment unbeschäftigt war.
    »Mit Verlaub, Herr Oberstleutnant, wo finde ich die Reitende Artillerie, Batterie Hiller?«
    Der Mann sah sie verwundert an. »Die gibt es hier nicht, gute Frau. Geh wieder nach Hause! Du siehst doch, was hier los ist, und hast hier nichts verloren.«
    »Schicken Sie mich nicht weg, Herr Oberstleutnant!«, bat sie hastig und mit weichen Knien. »Meine Söhne müssten nun endlich aus Russland zurückgekommen sein. Wilhelm, Claus, Fritz und Paul Tröger aus Freiberg … Die stehen da ganz sicher in Ihren Listen!«
    Mit zittriger Hand wies sie auf die Papiere.
    Ungeduldig blätterte der Oberstleutnant in seinem Verzeichnis, ließ seinen Zeigefinger an den Namen mit dem Anfangsbuchstaben T entlanggleiten.
    »Tanner … Täubner … Töpfer … Treiber … Tscheschner … Tut mir leid, hier stehen sie nicht. Wenn sie aus Russland zurückgekommen sind, dann sind sie vielleicht im Lazarett; wir haben viele Kranke und Verwundete hier. Geh dort hinüber« – er wies auf den anderen Flügel des Schlosses – »und frag nach dem Lazarettaufseher. Womöglich weiß der etwas über sie.«
    Er wollte die Frau gern loswerden, aber sie tat ihm auch leid. Vier Söhne – und wahrscheinlich lebte keiner von denen mehr. Sie war nicht die erste Mutter, die von weit her kam, um hier vergeblich zu suchen. Oder einen Toten zu finden.
    Höflich bedankte sich Lisbeth.
    Das hat nichts zu sagen bei diesem Gewimmel, dass sie die Batterie meiner Jungs nicht kennen, machte sie sich Mut. Die können nicht alles wissen. Ich gehe jetzt zu dem Lazarettaufseher, und wenn das nicht nützt, so wahr mir Gott helfe, dann kämpfe ich mich bis zum Kommandanten durch. Schließlich hab ich für seine Hochzeit gekocht!
     
    Während Lisbeth mit geschwollenen Füßen und immer schwerer werdendem Herzen von einem Haus zum anderen geschickt wurde, wo Kranke und Verwundete untergebracht waren, ging der Festungskommandant in Gedanken mit sich ins Gericht, um die richtige Entscheidung zu treffen.
    Der Lärm vom Schlosshof, wo Kommandos gerufen und die neuen Rekruten eingewiesen wurden, schien nicht mehr zu ihm durchzudringen. Er musste mit sich im Reinen sein, bevor er morgen alles auf eine Karte setzte.

Gewissensentscheidung
    Torgau, 6 . Mai 1813
    B ei kritischer Selbstbetrachtung hatte Johann Adolph von Thielmann in seinem Leben mehrere gravierende Fehler begangen. Dabei galt er als Mann von großem Mut und Können auf militärischem Gebiet, als bewunderter Anführer der sächsischen Kavallerie, hochgebildet und mit Kunstverstand.
    Der erste dieser Fehler war privater Natur. Er hatte die falsche Frau geheiratet.
    Bei einer Soiree im Hause des Dresdner Justizrates Christian Gottfried Körner, der zu seinen engsten Freunden zählte und dessen Sohn kürzlich als Freiwilliger zu den Lützower Jägern gegangen war, hatte er Wilhelmine, die damals achtzehnjährige Tochter des Freiberger Bergrates von Charpentier, kennengelernt und sich auf den ersten Blick in sie verliebt. Bald hielt er um ihre Hand an, verbrachte viele Abende bei den Charpentiers.
    Das waren glückliche Zeiten, in denen er seine Mußestunden ganz der Liebe zur Literatur widmen konnte. Er hatte durch Körners Vermittlung Schiller getroffen und dessen Prolog zum
Wallenstein
gelesen, bevor er gedruckt worden war; er hatte Freundschaft geschlossen mit anderen kunstinteressierten Militärs wie dem Hitzkopf Dietrich von Miltitz und dem weisen Büchersammler Carl Adolf von Carlowitz. In diesem

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