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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Immediatkommission, die während der Abwesenheit des Königs das Land verwaltete, hatte die Zahlungen an Torgau trotz seiner Proteste ohne Angabe von Gründen eingestellt.
     
    Ein Klopfen riss den Kommandanten aus dem Grübeln. Sein Adjutant trat ein und brachte ein Glas Wasser mit der Medizin, die der Arzt dem Gouverneur verordnet hatte. Ludwig von Aster stellte es auf dem Schreibtisch ab, blieb jedoch stehen und schien etwas auf dem Herzen zu haben. Seine ungewohnt betretene Miene ließ nichts Gutes vermuten. Ungeduldig forderte ihn Thielmann mit einer Geste auf zu sprechen.
    »Da draußen ist wieder eine der Frauen, die ihre in Russland verschollenen Söhne suchen«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Sie will unbedingt mit Ihnen sprechen. Ich hätte sie längst weggeschickt, aber sie sagt, Sie würden sie kennen; sie sei einmal Köchin bei den Eltern Ihrer Gattin gewesen. Und ihre Söhne, das waren die vier Trögers von der Batterie Hiller.«
    Von Aster musste nicht mehr sagen. Wenn eine Mutter vier Söhne auf einmal verloren hatte, dann sollte sich auch ein Generalleutnant Zeit nehmen, ihr sein Beileid auszusprechen.
    »Bitten Sie sie herein!«, entschied er.
    Erleichtert darüber, dass sich sein Vorgesetzter auf diese ungewöhnliche Vorgehensweise einließ, schritt Aster zur Tür, öffnete sie und forderte Lisbeth auf einzutreten.
    Die erstarrte für einen Augenblick. Dann vergewisserte sie sich mit einer Handbewegung, dass ihr Haar ordentlich unter der gestärkten Haube steckte, trat ein und sank zehn Schritte vor dem Generalleutnant auf die Knie, die Finger ineinander verschlungen.
    »Euer Hochwohlgeboren … Innigsten, herzlichsten Dank, dass Sie mich empfangen! Vielleicht erkennen Sie mich noch? Ich habe in der Freiberger Burgstraße beim Herrn Bergrat von Charpentier gekocht, damals, als Sie das Fräulein Wilhelmine freiten … Und die Leute in der Stadt hier sprechen von Ihnen wie einem Helden, Euer Hochwohlgeboren, sie verehren Sie, weil Sie sie beschützen … Nur deshalb wage ich es …« Sie räusperte sich, weil ihre Stimme plötzlich zu versagen drohte. »Vier meiner Söhne sind mit Ihnen nach Russland gezogen. Tröger, Reitende Artillerie …«
    »… Batterie Hiller, ich weiß«, fiel der Generalleutnant ihr ins Wort. »Ich erinnere mich. Zwillinge die beiden Ältesten, nicht wahr? Und alle vier mit außergewöhnlich guter Hand im Umgang mit Pferden …«
    »Ja!«, jubelte Lisbeth. Endlich jemand, der ihre Jungs kannte! Gleich würde er ihr sagen, wo sie die vier fand.
    »So stehen Sie doch auf.«
    Angesichts der Erschöpfung der Frau deutete der Gouverneur auf einen Stuhl nahe der Tür. Doch Lisbeth wagte es nicht, sich zu setzen.
    Bei aller Freude und Hoffnung, die sie aus den Worten des Festungskommandanten schöpfte – sein Anblick erschütterte sie. Er war einmal ein schöner Mann gewesen. Doch jetzt wirkte er abgemagert, ja krank, das Leuchten in seinen Augen war erloschen, und um den Mund hatte er einen verbitterten Zug.
    Thielmann sah ihren fragenden Blick, wusste, dass er gleich die Hoffnung zerstören musste, die in ihrem Gesicht flackerte, und suchte nach Worten.
    »In der größten Schlacht – bei Borodino vor Moskau – kämpfte die Batterie Hiller heldenhaft. Unglaubliche sechshundert Schuss gaben die Männer ab. Es grenzt an ein Wunder, dass ihnen das Geschütz zum Schluss nicht um die Ohren geflogen ist. Sie hatten erhebliche Verluste an diesem Tag wie wir alle. Doch von Ihren Söhnen wurde nur einer verletzt, Fritz. Die Zwillinge haben ihn mit sich genommen und den Rest des Weges über versorgt.«
    Dass dies eine starrköpfige Aktion der Brüder war und sie alle anderen Verletzten nach dieser Schlacht ohne Pflege und ohne Proviant zurücklassen mussten, verschwieg er der Mutter.
     
    Er würde diesen Tag nie vergessen, diesen 7 . September 1812 bei dem Dörfchen Borodino an der Straße von Smolensk nach Moskau.
    Morgens um halb sechs hatten die Männer der ihm unterstellten beiden Regimenter sächsischer Kürassiere dem Kaiser noch in Paradeuniform zugejubelt und mit ihrer Disziplin und ihrem Reitergeschick großen Eindruck hinterlassen. Am Abend waren die meisten von ihnen tot.
    Den halben Tag lang stürmten sie Seite an Seite mit polnischen Ulanen unter Fürst Poniatowski gegen russische Verschanzungen, vor sich ein brennendes Dorf und eine Batterie russischer Geschütze. Zwei erfolgreiche Angriffe hatten die Kürassierregimenter Garde du Corps und Zastrow unter seinem klugen

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