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1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)

Titel: 1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Kommando geritten, ein heftiges Handgemenge bestanden und mehrere Karrees durchbrochen, obwohl sie immer wieder von russischer Gardeinfanterie und Kavallerie angegriffen wurden.
    Als sie gegen Mittag in eine Warteposition befohlen wurden, hatten sie bereits die Hälfte der Männer und Pferde verloren. Auch während sie auf den nächsten Einsatzbefehl warteten, standen sie unter Beschuss und erlitten weitere Verluste. Ihm selbst wurde sein bestes Pferd unter dem Leib weggeschossen. Augenblicke später sah er direkt neben sich seinen Adjutanten und Freund von Seydewitz sterben.
    Nach einem zweiten Einsatz kam am Nachmittag der Befehl des Kaisers zum erneuten Angriff gegen die größte Schanze, die den ganzen Tag lang schon von der französischen Infanterie ergebnislos bestürmt worden war; ein in Pulverdampf gehüllter Wall auf einem steilen Hügel, von dem ihnen achtzehn gewaltige Geschütze tödliches Feuer entgegenspien. »Rajewski-Schanze« nannten sie die Russen nach dem Befehlshaber der dort eingesetzten Truppen, »Große Redoute « die Franzosen. Nun sollte die sächsische und polnische Kavallerie dagegen anreiten und ohne Feuerdeckung schaffen, was der Infanterie den ganzen Tag lang schon nicht gelungen war.
    Und da hatte Thielmann die Beherrschung verloren. Seine verbliebenen Männer saßen seit zwölf Stunden im Sattel, von einst eintausendsechshundertfünfzig waren keine vierhundert mehr am Leben, und die abgekämpften Pferde konnten kaum noch Schritt laufen. Diese Schlacht tobte den ganzen Tag schon unter furchtbarem Blutzoll, aber Napoleons Alte Garde, die das Ganze rasch hätte wenden können, wurde nicht eingesetzt.
    »Das ist Wahnsinn! Wir brauchen Deckung durch die Infanterie!«, hatte er den General Latour-Maubourg angebrüllt, der ihm den Befehl des Kaisers überbrachte. »Sonst wird es in einer halben Stunde keine sächsische Kavallerie mehr geben!«
    Der General hatte ihn nur eiskalt angesehen. »Sie nehmen auf der Stelle Ihre Männer und reiten dort hinauf!«, befahl er schroff.
    Dass sein taktisch richtiger Hinweis, den Angriff von Infanterie begleiten und decken zu lassen, ignoriert und die mehrere zehntausend Mann starke gefürchtete Alte Garde immer noch geschont wurde, hatte Thielmann endgültig bewiesen, wie wenig den Kaiser die Truppen aus den Rheinbundstaaten oder Polen kümmerten. Dies war der Moment, in dem aus seiner Bewunderung für Napoleon Verachtung wurde.
    Das Herz in eisigem Zorn erstarrt, kehrte er um und ritt an der Spitze seiner Kürassiere in den Angriff, um zu sterben. Noch nie war ihm der Tod so gleichgültig, so sicher gewesen, ja sogar willkommen.
    Die Rajewski-Schanze wurde eingenommen. Wie durch ein Wunder überlebte er. Aber das Manöver war zum Todesritt der sächsischen Kavallerie geworden.
    Am Abend, als die Verluste des Tages gezählt wurden, waren von seinen beiden Regimentern keine dreihundert Reiter mehr übrig. Den Gefallenen und Überlebenden wurde nicht einmal die Ehre ihres Sieges zuteil, der wurde den Truppen von General Caulaincourt zugeschrieben.
    Als Thielmann am nächsten Tag seinen Bericht an den König verfasste, diente ihm ein Pferdekadaver als Schreibunterlage.
    Napoleon triumphierte. Doch der blutig erkämpfte und zweifelhafte Sieg von Borodino leitete seine Niederlage in Moskau und Russland ein. Denn das große Sterben sollte erst noch beginnen.
    Und nun war es Zeit für die bitteren Wahrheiten, die er jener Freiberger Mutter erzählen musste, die ihn mit banger Hoffnung anstarrte.
     
    »Ihr Sohn bekam Wundbrand; wir begruben ihn in Moskau«, sagte der Generalleutnant mit rauher Stimme. »Später, auf dem Rückzug, als uns nach und nach die letzten Pferde verreckten und immer mehr Männer am Hunger und an Krankheiten eingingen, beschloss die Batterie Hiller, das Geschütz zu vergraben und die Munition zu vernichten. Auch von den Männern selbst ist nicht ein Einziger zurückgekommen. Ich war nicht die ganze Zeit bei ihnen, weil ich als einer der letzten Kavalleristen vorübergehend zur Heiligen Schar des Kaisers abkommandiert worden war. Erst später konnte ich mich wieder um die Überreste meiner sächsischen Truppen kümmern. Die Zwillinge sind beide bei einem Kosakenangriff gefallen, erfuhr ich. Und Ihren Jüngsten sah ich sterben, als er die eiskalte Beresina durchschwimmen wollte. Es war Todesmut aus Verzweiflung. Die Brücke war tagelang verstopft von Fliehenden, wir wurden von mehreren Seiten beschossen. Er geriet zwischen zwei

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