1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
von Ungeduld trat Oberst von Carlowitz ein, Uniformknöpfe und Stiefel blitzblank, den Zweispitz vorschriftsmäßig unter den Arm geklemmt, und salutierte.
Er war ein Mann Anfang vierzig mit dichtem hellem Haar und wachem Blick. Ein Bücherfreund, wie der König zu seinem großen Misstrauen wusste. Ein Feingeist in Uniform, der sich eine riesige Privatbibliothek zugelegt hatte. So etwas billigte er nicht bei seinen Militärs, abgesehen von Mathematik; es lenkte sie nur von ihren Aufgaben ab. Das Mittelmaß schien ihm bei allem das beste Maß, doch dieser Carlowitz ließ sich einfach nicht auf Mittelmaß zurechtstutzen.
Außerdem war dem König längst klar, was der Offizier vortragen würde. Und er wollte es nicht hören.
»Ich beschwöre Sie, Majestät, befreien Sie das Land aus dem erzwungenen Bündnis mit Frankreich und gehen Sie die Allianz mit Russland und Preußen ein!«, sagte der Oberst eindringlich und hielt sich gerade noch davon ab, einen Schritt vorzutreten. Auch im Exil legte der König von Sachsen höchsten Wert darauf, dass das strenge spanische Hofzeremoniell bis ins kleinste Detail eingehalten wurde.
»Ihre Landeskinder sind des Krieges müde. Die Wirtschaft liegt nieder durch Krieg und Handelssperre, zu hoher Blutzoll ist auf den Schlachtfeldern gezahlt. Wir brauchen dringend Frieden! Gemeinsam mit Russland und Preußen können wir das Land von den Besatzern befreien. Der Zar reicht Ihnen die Hand zum Bündnis, Majestät. Und Ihre Untertanen werden Ihnen freudig folgen.«
Carl Adolf von Carlowitz gab sich alle Mühe, nichts von seiner Ungeduld zu zeigen, damit sich der König nicht bedrängt fühlte. Es war schon schwer genug gewesen, diese Audienz zu bekommen. Die beleidigend lange Wartezeit ließ nichts Gutes erhoffen. Aber er hatte sie als Prüfung hingenommen.
Er durfte nicht scheitern, um das Schicksal seines Landes willen! Natürlich würde der König diese Angelegenheit nicht mit ihm diskutieren. Er würde entscheiden … aus Pflichtgefühl heraus … und ihm seine Entscheidung im besten Falle mitteilen.
Carlowitz merkte es nicht, aber er hielt fast den Atem an, während seine Augen auf die akkurat gefaltete seidene Halsbinde des Regenten starrten und seine Gedanken zu dem verzweifelt wartenden Thielmann nach Torgau flogen.
Friedrich August, König von Sachsen und Herzog von Warschau, hielt sich stocksteif und musterte den Offizier mit strengem Blick.
Noch so einer von denen, die ihm Reformen und Bündnisse aufschwatzen wollten! Genau wie dieser Miltitz und dieser Thielmann und einige seiner Minister …
Er war nicht so ein Schwächling wie der König von Preußen, der sich durch einen Freiherrn vom Stein beschwatzen und einen General Yorck überrumpeln und in ein Bündnis mit den Russen drängen ließ! Volksbewaffnung, am Ende gar eine Verfassung … So weit ließe er es in Sachsen nicht kommen. Und er konnte sich auch nicht vorstellen, dass sich der preußische König bei dem Gedanken daran wohl fühlte.
All diese Kindsköpfe und Phantasten, diese Dichter und Büchernarren, diese
Patrioten,
die von einem Bündnis mit Preußen und Russland träumten oder gar von einem einigen deutschen Vaterland – sie wussten nicht, was
er
wusste: dass es dergleichen
niemals
geben würde!
Sie wussten nicht, was nur er wusste und sein bester Spion. Dass Zar Alexander und Friedrich Wilhelm von Preußen bereits im Februar Europa für den Fall ihres Sieges unter sich aufgeteilt hatten. Den Rheinbund wollten sie auflösen, und der Zar hatte sich ohne Zögern damit einverstanden erklärt, dass Preußen Sachsen vollständig annektierte, sofern er das Herzogtum Warschau bekam.
Und deshalb würde es auch kein einiges deutsches Vaterland geben. Schon gar keine Republik. Nie! Kein Fürst würde freiwillig auf seine Macht verzichten oder auf das geringste Stück Land. Und kein deutscher Fürst würde einen preußischen Kaiser akzeptieren.
In der Politik ging es nicht um Wünsche, Träume und Sehnsüchte, sondern nur um kaltes Kalkül. Um Winkelzüge, Täuschung und die Summe unter dem Strich.
Sie alle, auch Carlowitz, Thielmann und seine Minister, hatten geglaubt, er sei
ihrem
Rat folgend mit dem Hof nach Plauen, Regensburg und nun Prag gezogen, um sich dem Einfluss Napoleons zu entziehen.
In Wirklichkeit war er abgereist, um nicht mit den Preußen verhandeln zu müssen, um einem preußisch-russischen Ultimatum zu entgehen.
Und seinen Generalleutnant Thielmann ließ er nur mit den Alliierten
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