1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
deutlich, dass die Audienz beendet war.
»Sie ziehen sich zurück, um sich zu sammeln und neu zu formieren, Sire!«, beschwor ihn Carlowitz, immer hastiger redend. »Sie haben kein einziges Geschütz verloren, sondern etliche erbeutet. Wenn Österreich und Sachsen an ihre Seite treten, wenn wir unsere Kräfte vereinen, können wir der Fremdherrschaft und dem Krieg ein Ende bereiten! Majestät, Ihre Landeskinder lieben Sie, sie nennen Sie den ›Gerechten‹. Wagen Sie diesen Schritt, um ihnen Frieden zu schenken!«
Der verzweifelte Bittsteller tat dem König beinahe leid – immer noch an ein Zusammengehen mit den Alliierten zu glauben!
Ein wichtigtuerisches Klopfen durchbrach die Stille.
Der livrierte Kammerherr schritt zur Tür und meldete kurz darauf den Baron von Serra, den französischen Gesandten am sächsischen Hof, mit einer dringenden Depesche des Kaisers.
Von Carlowitz wusste, dass er nun zu gehen hatte.
Und er wusste auch, was Bonaparte in dieser Depesche fordern würde: dass sich Sachsen wieder eindeutig auf seine Seite stellte. Friedrich August würde keinen Widerstand leisten, das las der Oberst im Gesicht seines Königs.
Mit einer Geste wurde er aus dem Saal entlassen. Er schlug die Hacken zusammen, salutierte und ging. An der Tür hatte er Mühe, nicht mit dem triumphierenden Baron von Serra zusammenzustoßen.
Von düsteren Gedanken beherrscht, stieg Carl Adolf von Carlowitz die Stufen der breiten Treppe hinab, trat an eines der großen Fenster und starrte hinaus, ohne wirklich etwas zu sehen. Die prächtigen Bauten, eleganten Kutschen, eindrucksvollen Ehrengarden – nichts davon nahm er wahr, nicht einmal den atemberaubenden Blick auf Prag.
Er war auf ganzer Linie gescheitert.
Der Usurpator würde den greisen König nicht vom Haken lassen.
Und für sein Scheitern würde das Land einen furchtbaren Blutzoll zahlen. Denn in Sachsen würde nun die Entscheidungsschlacht geschlagen werden.
Er konnte es nicht ertragen, in dieser schicksalhaften Zeit auf der falschen Seite zu stehen. Als Sympathisant der Alliierten war er außerdem von nun an am sächsischen Hof nicht mehr sicher. Er würde seinen Abschied einreichen und den russischen Kaiser bitten, ihn in seine Dienste zu nehmen.
Seine Bücher, die würde er vermissen.
Hastig griff Friedrich August von Sachsen nach der Depesche, erbrach das Siegel und las genau das, was er befürchtet hatte. Ohne es zu merken, sackte er in seiner stocksteifen Haltung um ein Stück zusammen, nur eine Winzigkeit. Die höflichen Formulierungen des Briefes ließen keinen Zweifel daran, dass es sich um eine Drohung handelte.
»Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, Sire, Seine Majestät der Kaiser erwartet eine ausdrückliche Erklärung, dass Sachsen sein Bündnis mit Frankreich erneuert«, verkündete der französische Gesandte mit gerade noch so viel Höflichkeit, um nicht unverschämt zu wirken. »Er wünscht, dass Eure Majestät ihm
schriftlich
erneute Bündnistreue schwört und sämtliche sächsischen Truppen unterstellt. Er könnte Sachsen sonst auch an den Herzog von Sachsen-Weimar geben. Das ist doch auch ein Wettiner, nicht wahr?«
»Ich werde meinem Herrn
Bruder,
dem Kaiser, die gewünschte Erklärung umgehend zu Papier bringen«, erwiderte der bejahrte König schroff mit aller Würde, die er noch aufbringen konnte.
Ihm blieb höchstens, seine Abreise nach Dresden um einen oder zwei Tage hinauszuzögern. Ohne zu lügen, konnte er Beschwerden seines Alters als Grund dafür angeben. Die Kniegicht, die ihn quälte. Doch zum Wohle seines Volkes musste er den Forderungen Napoleons folgen. Dessen erneute Übermacht auf dem Schlachtfeld ließ keine andere Wahl.
Direkt
angelogen hatte er den Kaiser nie – abgesehen von den beiden Briefen, mit denen er sich herauswinden musste, weil die geforderten neuen sächsischen Kürassierregimenter nicht der Grande Armée überstellt worden waren. Dass diese Regimenter insgeheim unter dem Befehl des Kaisers von Österreich standen, das konnte er nun wirklich nicht zugeben.
Doch Napoleon hatte auch seine zweimalige dringliche Bitte ignoriert, die berühmte Dresdner Brücke nicht zu beschädigen. Wüsste er von Metternichs Plan, hätte er wohl alle Pfeiler sprengen lassen und nicht nur zwei.
Die Einnahme Dresdens
Dresden, 8 . Mai 1813
W ie ein rot-weiß-blauer Strom flutete die französische Armee über die Anhöhen vor Dresden, angeführt von Napoleon Bonaparte höchstpersönlich.
Der sonst so idyllische
Weitere Kostenlose Bücher