1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
Anblick der sächsischen Residenzstadt wurde zunichtegemacht durch zwei schwarze Rauchwolken, die über der Elbe aufwärtsstiegen und den strahlend blauen Himmel über der Stadt zerschnitten.
Der Kaiser der Franzosen und Herrscher über fast ganz Europa deutete nach vorn. »Sie haben die Holzbrücken beim Abzug in Brand gesteckt, hä?«, fragte er, ohne wirklich eine Antwort von den Männern in seiner Nähe zu erwarten.
Vom rechten Elbufer her klangen noch vereinzelt Schüsse. Aber Napoleon wusste bereits durch seine Kundschafter, dass der russische Kaiser kurz nach Mitternacht die Stadt verlassen hatte, der preußische König ihm am frühen Morgen gefolgt war und jetzt vermutlich gerade die letzten Kosaken das Terrain räumten.
Langsam trieben die brennenden und qualmenden, zu einer Hilfsbrücke zusammengebundenen Boote die Elbe entlang, bis sie sich quer vor die Brücke legten, die Marschall Davout am 19 . März hatte sprengen lassen, um den Rückzug der Reste der französischen Armee Richtung Westen zu decken. Als das Vorhaben bekannt wurde, hatte es in Dresden einen Aufruhr gegeben – allerdings ohne Erfolg. Die Sprengladung wurde gezündet, zwei Pfeiler und ein Steinbogen waren zerstört, und die von den Russen erbaute hölzerne Hilfsbrücke stand nun auch in Flammen.
Der Kaiser ließ einen ärmlich gekleideten Bauern zu sich bringen und fragte ihn, wie auf dem Schlachtfeld vor ein paar Tagen angekündigt, ob ihm die Dresdner die Sache mit der Brücke noch verübeln würden.
Der Bauer verneigte sich wieder und wieder, knetete seine Mütze in den Händen und konnte vor Schreck und Staunen kaum fassen, dass der allmächtige Napoleon Bonaparte leibhaftig vor ihm stand.
»Aber nicht doch, Majestät! Wir bauen sie einfach wieder auf«, versicherte er eifrig.
»Sehen Sie!«, rief der Kaiser, nachdem ihm der Major von Odeleben die Worte des Mannes übersetzt hatte, und blickte triumphierend in die Runde seiner Generalstabsoffiziere. »Kein Problem. Sie bauen sie wieder auf. Hä!«
Dieses »Hä!« konnte bei Napoleon vielerlei Bedeutung haben, und diesmal hieß es unverkennbar: So sind sie, diese Sachsen. Überhaupt nicht nachtragend. Und ohne zu murren, bauen sie eben wieder auf, was man ihnen zerstört.
Das zustimmende Nicken und Lächeln seines goldbetressten Gefolges bekräftigte den Kaiser in dieser Meinung, während der Bauer überaus erleichtert davonrannte.
Nur einer aus Napoleons engster Begleitung, der Einzige in der Uniform eines sächsischen Offiziers, dachte: Was soll er denn sonst sagen, dieser arme Mensch? Er fürchtet sich zu Tode!
Doch Freiherr Otto von Odeleben gab sich alle Mühe, nichts von dieser Meinung auf seinen Gesichtszügen erkennen zu lassen. Er leistete hier Dienst im Auftrag seines Königs und vermittelte zwischen dem Imperator und seinen nicht des Französischen mächtigen Landsleuten.
Mein schönes Dresden!, dachte er mit blutendem Herzen angesichts der schwarzen Rauchsäulen und der zerstörten steinernen Brücke.
Begierig auf jede noch so kleine Neuigkeit standen unterdessen viele Dresdner vor ihren Häusern, starrten auf die sich nähernde Streitmacht, warteten und hofften.
Eine Deputation der Stadt sei zum Kaiser befohlen worden. Diese Nachricht machte die Runde, weitergetragen von flinken Gassenjungen, mäßig erleichterten Beamten und eifrigen Hausfrauen, die allesamt nur zu gern ein wenig Hoffnung verbreiten wollten.
Auf der Straße Richtung Freiberg solle die Begegnung stattfinden, und die Ratsherren seien schon auf dem Weg.
»Und? Sind sie freundlich empfangen worden?«, fragten diejenigen sofort, die davon hörten.
Doch einen freundlichen Empfang konnte man das nicht gerade nennen, was der Abordnung der Dresdner Ratsherren auf der Freiberger Straße zuteilwurde.
»Wer sind Sie?«, fuhr der Kaiser der Franzosen die Männer schroff an.
»Mitglieder der Munizipalität«, übersetzte der Major von Odeleben rasch, um jeglichen Versuch der Männer zu unterbinden, ihr Anliegen selbst auf Französisch vorzutragen. Das überließen sie besser ihm; nicht nur wegen seiner ausgezeichneten Sprachkenntnisse, sondern vor allem weil er aus der erzwungenen Nähe auch wusste, wie der Kaiser zu beschwichtigen war. Mit klug gewählten Formulierungen ließen sich manchmal die Wogen etwas glätten. Dafür wich er gelegentlich eine Nuance von der wortgetreuen Übersetzung ab. Niemand von den Begleitern des Kaisers würde das merken; von denen sprachen nur Caulaincourt und Ney
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