1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
Grinsen. »Wenn man einmal von seiner endlosen Beterei absieht und davon, was für ein knöcherner, humorloser Geist er ist. Aber wenigstens ist er ehrlich. Im Gegensatz zu allen anderen hat er mich nie belogen.«
»Warum sollte er auch? Er ist von Ihnen üppig belohnt worden«, meinte Duroc leichthin, obwohl er in Gedanken zustimmte, dass ein grundehrlicher Monarch eine eher seltene Erscheinung war.
»Hä! Dem König von Preußen kann ich kaum verübeln, wenn er mich hintergeht«, räumte Napoleon immer noch grinsend ein. »Doch was mag unseren braven Friedrich August nur zu diesem ganzen österreichischen Gemauschel getrieben haben? Bewaffnete Vermittlung – das kommt doch eindeutig von Metternich.«
»Welcher behauptet, der Besuch der Königlichen Majestät in Prag sei vollkommen unverhofft durch den jungen Grafen Esterházy verabredet worden …«, erinnerte Duroc ironisch.
»Ganz sicher!«, höhnte Bonaparte. »Wenn Metternich die Hände im Spiel hat, sind nicht einmal Sonne und Regen vom Zufall bestimmt.«
Mittlerweile hatte sich ihnen der sächsische König bis auf ein paar Pferdelängen genähert, deshalb beendeten sie ihre Lästerei und setzten feierliche Mienen auf.
»Und, Sire … Seien Sie nicht ganz so streng mit dem armen alten König«, mahnte Duroc noch leise. »Er ist doch eigentlich eine anständige Seele …«
Aber sein Kaiser überhörte das absichtlich und starrte nach vorn.
Unter dem Jubel der versammelten Dresdner ritt der sächsische Monarch auf den Imperator zu, stieg an der befohlenen Stelle vom Pferd und ließ sich vor aller Augen von Napoleon in stocksteifer Haltung umarmen.
Das Volk schrie begeistert »Vivat!« angesichts dieser Szene, die Gnade für Dresden verhieß. Immerhin waren noch vor ein paar Tagen Kanonenkugeln direkt neben dem Zwinger niedergegangen, und auch im Mauerwerk der Hofkirche klafften nun Einschusslöcher von Gewehrkugeln.
Doch Friedrich August, seit fast einem halben Jahrhundert Herrscher über Sachsen, hätte in diesem Augenblick am liebsten die fremde Hand von seiner Schulter geschlagen.
Was erlaubte er sich?
Ihn
zu berühren! Niemand hatte ihn zu berühren außer der Kammerdiener beim Ankleiden!
Auch wenn sich dieser Mann jetzt Kaiser nannte – Napoleon Bonaparte war ein der Gosse entstiegener Korse, während
er
eine Dynastie verkörperte, die seit sechshundert Jahren als Markgrafen und Kurfürsten dieses Land regierte!
Was den sächsischen König in diesem Moment so aufbrachte, konnte er selbst nicht genau benennen. Vielleicht das ungute Gefühl, bei einer Lüge ertappt worden zu sein? Wie viel wusste Napoleon von dem, was zwischen Prag und Wien verhandelt worden war?
Am liebsten hätte er sich die Hände gewaschen, obwohl er Handschuhe trug und seine Finger also nicht schmutzig geworden sein konnten. Sein ganzer Körper schien auf einmal zu jucken.
»Ich wünsche etwas mehr Freude und Begeisterung auf dem königlichen Antlitz!«, raunte Napoleon bissig während der ausgiebigen Umarmung. »Statt eines glanzvollen Empfangs hätte ich auch Festungshaft für verräterisches Paktieren mit den Österreichern anweisen können. Und Euerm
lieben
Verwandten, dem Herzog von Sachsen-Weimar, die sächsische Krone geben.«
Augenblicklich brach der innere Widerstand des Königs zusammen. Das entging Napoleon nicht.
Er ließ den alten Mann los und befahl laut und feierlich: »Ehrensalut, Glockengeläut und ein dreifaches Vivat für den König von Sachsen und Herzog von Warschau!«
Die Kanoniere der Gardeartillerie schossen eine Salve ab, was die versammelten Damen eiligst dazu brachte, sich die Ohren mit den Fingern zuzustopfen. Als der Lärm der Geschütze verhallt war, begannen Dresdens Glocken zu läuten.
Ein vielstimmiges »Vivat dem König« erscholl, und da dies nicht so einseitig stehenbleiben durfte, brachten die Anhänger Napoleons ein nicht minder feuriges »Vive l’Empereur!« aus.
Beide Herrscher stiegen wieder in den Sattel und ritten nebeneinander unter Jubel und Glockengeläut in die Stadt ein.
»Ich bin sehr enttäuscht von Euer Majestät. Habe ich Euch nicht all die Jahre nur Gutes erwiesen und großzügig beschenkt?«, warf Bonaparte seinem »Bruder König« mit anklagender Stimme vor.
Dann wurde sein Ton schärfer. »Ich erwarte einen detaillierten Bericht über jedes Wort und jede Vereinbarung, die Eure Emissäre mit den Österreichern getroffen haben!«
Friedrich August verlor die letzte Farbe aus dem Gesicht. »Es war ein Versuch,
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