1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
in dieser Geschichte ist jener Anführer aus Venezuela, kaum dreißig Jahre alt: Simón Bolívar. Merken Sie sich diesen Namen! Ich bin überzeugt, er wird trotz der Niederlage nicht aufgeben und den Spaniern noch viel Ärger bereiten. Er könnte es schaffen, die Nationen Lateinamerikas im Kampf gegen Spanien zu einen. Ich kenne sonst nur einen Mann, der so viel Charisma hat, und das ist unser Kaiser. Wenn Sie ihm gegenüberstehen würden, könnten Sie ihm nicht widerstehen. Und wissen Sie, woher dieser Bolívar seine Ideen und Überzeugungen hat? Aus Paris, wo er seine Bildung genoss und Napoleon kennenlernte, den er sehr bewundert!«
Mit triumphierendem Blick schaute der Major zu Jette, die ihn staunend ansah.
»Dann ist also nicht nur Europa im Umbruch …«
»Natürlich, das alles geht weit über Europa hinaus. Vergessen Sie nicht: Napoleon Bonaparte war in Ägypten …«
»Um die Engländer zu ärgern«, warf Friedrich Gerlach mit trockenem Humor ein.
Der Major lächelte amüsiert über diesen Einwurf. »Und bald wird er nach Indien ziehen.«
Jette verschlug es die Sprache angesichts solch absurd klingender Pläne, ihr Onkel dagegen ergänzte erneut: »Um die Engländer zu ärgern.«
»Richtig! Spätestens dort werden wir endlich diesem Wellesley Einhalt gebieten, der uns in Spanien so viel Ärger bereitete. Und da wir gerade von England sprechen – schauen Sie nach Nordamerika, Demoiselle! Haben sich die Vereinigten Staaten nicht unter blutigen Opfern von der
Kolonialmacht
England getrennt, sich eine Verfassung gegeben und eine Republik gegründet? Wir helfen ihnen jetzt, sich noch Florida und Kanada zu holen … Um die Engländer zu ärgern«, sagte er mit belustigtem Grinsen zu Friedrich Gerlach. »Und natürlich für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.
Napoleon ist der Mann, der die ganze Welt verändert!
«
Jette nahm ihr Glas und trank es langsam aus. Sie musste ihre Züge hinter dem Kristall verstecken, um über all das nachdenken zu können. Dann ist also dieser Krieg – obwohl es das Wort gar nicht gibt – ein
Welt
krieg.
»Sie sehen, jede Medaille hat zwei Seiten«, beendete der Major seinen Exkurs, trank sein Glas ebenfalls leer und ließ sich und den anderen noch einmal nachschenken.
»Ich hoffe, ich habe Sie nicht gelangweilt. Verzeihen Sie mir! Dabei wollte ich gar nicht von Politik reden.«
Das klang nicht sehr glaubwürdig.
»Die Demoiselle soll sich nicht ihr hübsches Köpfchen über Politik zerbrechen«, fuhr er fort.
»Also – wir sind alle satt nach diesem wunderbaren Mahl, gut gelaunt durch diesen wunderbaren Wein, womit können wir uns jetzt ein wenig zerstreuen? Musik? Ein Kartenspiel? Oder Tanz?«
»Wir haben kein Piano im Haus«, entschuldigte sich der Buchdrucker. »Nur eine Glasharmonika, und die ist lädiert.«
»Können Sie singen? Bitte, singen Sie uns etwas vor!«, schlug Étienne vor und sah Henriette bewundernd an.
»Ich bin musikalisch leider ganz unbegabt«, wehrte sie ab.
»Das glaube ich nicht«, widersprach Étienne und lächelte. »Sie wagen es nur nicht. Gut, ich gebe Ihnen Pardon und Aufschub, bis wir uns etwas besser kennengelernt haben.«
Wieder strahlte er sie an, und Jette hoffte inständig, dass der Tag nie kommen würde, an dem sie einander besser kennenlernten.
»Es wird sicher bald eine Abendgesellschaft in der Stadt geben, dort sollen Sie meine Begleiterin sein, ich bitte Sie darum! Ihr Vormund hat doch nichts dagegen, nicht wahr?«
Hilfesuchend sah Jette zu ihrem Onkel. Doch dem blieb nichts anderes übrig, als mit einem knappen Lächeln seine Zustimmung zu geben.
»Tanzen Sie Walzer?«
Endlich sah Johanna sowohl Gelegenheit als auch Notwendigkeit, etwas zur Unterhaltung beizutragen. »Das müssen Sie meiner Nichte nachsehen, Herr Leutnant. Der Walzer hat sich hier bei uns noch nicht durchgesetzt. Er wird zwar an den Höfen getanzt und auf großen Gesellschaften in den Residenzstädten. Aber dies ist eine kleine Stadt, da geht es betulicher und gesitteter zu. Wir tanzen hier Kontratänze und manchmal auch Menuett, selbst wenn Ihnen das etwas altmodisch erscheinen mag.«
Eilig übersetzte ihr Mann.
Amüsiert sah der Major seinen Sohn an. »Die Demoiselle kann keinen Walzer! Dabei ist sie doch wie geschaffen dafür, durch den Saal zu schweben. Dieser unhaltbare Zustand muss umgehend geändert werden.«
Er stand auf, zog seine Uniformjacke zurecht, verneigte sich vor Henriette und streckte ihr auffordernd seine Hand
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