1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
wehmütig. »Und den schönen englischen Garten, den Ihre Frau anlegen ließ …«
Auch durch Sarahs Einfluss war das bei Meißen gelegene Miltitzsche Gut Siebeneichen zum Zentrum der romantischen Dichtung in Sachsen geworden. Dort hatten sich Dichter und Anhänger der Dichtkunst getroffen: Johann Gottlieb Fichte, Christian Gottfried Körner, die Brüder Carlowitz; einige von ihnen waren inzwischen schon tot wie Heinrich von Kleist, der sich vor zwei Jahren das Leben genommen hatte, und der junge Hardenberg – Novalis, der zusammen mit Miltitz aufgewachsen war. Fast alle, die in Siebeneichen ein und aus gegangen waren, hatten sich insgeheim ein wenig in Sarah verliebt.
»Je schneller wir die Feinde aus dem Land treiben, umso eher können wir die nächste Soiree veranstalten«, meinte Dietrich von Miltitz überschwenglich. Dann wurde er wieder ernst und fragte: »Wie trägt es Ihre Frau?«
Thielmann zögerte mit der Antwort. »Wilhelmine beklagt sich nicht, das tut sie nie. Aber ich weiß nicht, wie lange ihre Kraft noch reicht.«
Viel zu oft hatte er sie wegen dienstlicher Pflichten in schweren Zeiten allein lassen müssen, sogar als einige ihrer Kinder starben. »Ich habe sie und die Kinder nach Teplitz geschickt. Dort wird man sie nicht als Frau eines Landesverräters beschimpfen. Ich bete zu Gott, dass sie sicher ist und Frieden findet.«
Bis tief in die Nacht saßen die drei Freunde zusammen und diskutierten, wie sie die Sächsische Division aufstellen konnten, schnell, effektiv und voller Symbolkraft.
Es waren vor allem Thielmann und Miltitz, die sprachen, beide von ähnlich überschäumendem Temperament, während sich Carl Adolf von Carlowitz immer mehr in sich zurückzog. Ich bin der Jüngste von uns, dachte er; eigentlich sollte ich derjenige sein, der sich schnell begeistern lässt. Warum habe ich so ein ungutes Gefühl dabei, so viel Argwohn? Habe ich die Zuversicht verloren, dass sich alles noch zum Guten wenden kann? Dass wir Deutschen uns zusammenschließen, den Feind vertreiben, den Krieg beenden und uns zu einer blühenden, dem Fortschritt aufgeschlossenen Nation vereinen?
Unzählige Sterne funkelten am Himmel, als Thielmann endlich das Quartier bezog, das ihm auf Weisung des Zaren zugeteilt worden war. Dort angekommen, verharrte der einstige sächsische Reitergeneral einen Augenblick.
Dann schloss er die Tür, setzte sich an den schlichten Holztisch und schrieb einen Brief an seine Frau. Schrieb sich alles von der Seele, was in ihm toste. Alles, was ihm in den letzten Tagen widerfahren war und wie gern er ihr und den Kindern die Sorgen erspart hätte, die sie nun durchleben mussten. Schrieb von seinen neuen, beflügelnden Plänen, die ihn endlich wieder mit Hoffnung erfüllten.
Es kam vollkommen ehrlich aus seinem Inneren, als er endete: »Du bist mein anderes Ich, die Mutter meiner Kinder, die ich mehr liebe als mich selbst. Von ganzer Seele der Deine.«
Johann Adolph von Thielmann hatte viel verloren.
Aber er hatte auch etwas gewonnen – nach Jahren, in seiner größten Not hatte er die Liebe zu der Frau wiedergefunden, die selbst in schlimmsten Zeiten zu ihm hielt.
Da konnte er noch nicht ahnen, dass seine großen Pläne von der Sächsischen Division der deutschen Armee schon in wenigen Tagen durch den Ausgang der Schlacht bei Bautzen zunichtegemacht werden würden.
Ein Abschied und noch einer
Freiberg, 13 . Mai 1813
D er Abend mit den beiden französischen Offizieren hatte Jette viel zum Nachdenken gegeben. Und je länger sie grübelte, umso größer wurde ihre Unsicherheit. Was war richtig, was war falsch? Sie wagte es nicht, mit dem Onkel darüber zu reden, denn sie vermochte aus dem Chaos in ihrem Kopf keine Fragen zu formen.
Noch mehr verunsicherten sie die Blicke Étiennes und die Erinnerung an die unfreiwillige körperliche Nähe zu seinem Vater während der improvisierten Tanzstunde. Darüber mit ihrer Tante zu sprechen schien ihr erst recht unmöglich.
Also zog sie sich immer häufiger in die Abgeschiedenheit der Bibliothek zurück, um nachzudenken und jedem aus dem Weg zu gehen. Franz besuchte die Schule und verbrachte die übrige Zeit mit Eduard, was Jette angesichts des Altersunterschieds zwischen den beiden erstaunte und auch ein wenig misstrauisch stimmte. Was trieben sie in ihrer freien Zeit, wenn sie beinahe nie im Haus anzutreffen waren? Aber da vertraute sie auf die scharfen Augen ihrer Tante, der ganz sicher nichts entging, was sie nicht billigte.
Wie vom
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