1813 - Kriegsfeuer: Roman (German Edition)
Freiwilligenkorps gemeldet als erhofft. Aber hier scheint fast jedermann nur den Kopf in den Sand zu stecken und zu warten, bis es vorbei ist, ganz gleich, wie.«
Carlowitz schenkte sich erneut nach; Thielmann lehnte mit einer Geste ab.
Bevor der einstige Torgauer Festungskommandant etwas auf diese niederschmetternde Einschätzung der Lage erwidern konnte, trat ein junger russischer Adjutant ein und richtete in bestem Französisch aus, Exzellenz Baron von Thielmann möge sich zu Seiner Kaiserlichen Majestät dem Zaren begeben. Carlowitz wünschte ihm Glück und sah ihm durch das unverglaste Fenster nach, bevor er die Flasche erneut in die Hand nahm, kurz betrachtete und dann kopfschüttelnd wegschob.
Der Oberst von Carlowitz saß immer noch mit finsterer Miene da und starrte vor sich hin, als Thielmann von seiner Audienz beim Zaren zurückkam – mit leuchtenden Augen und voller Pläne.
»Ich bin jetzt Generalleutnant der Kaiserlich-Russischen Armee«, berichtete er als Erstes, und sein Lächeln verflog. »Das hätte ich mir vor einem Jahr noch nicht vorstellen können …«
Früher oder später würde er hier auf Rajewski treffen, Generalleutnant der Kavallerie wie er, gegen dessen Schanze und dessen Leute er bei Borodino seine Regimenter in den Tod geführt hatte. Es stand viel Blut zwischen ihnen – und die Erinnerung an einen bitteren Tag. Damals wurde auch Fürst Bagration tödlich verwundet, einer der herausragendsten Befehlshaber der Kaiserlich-Russischen Armee; der einzige Heerführer des Zaren, dem selbst Napoleon Bonaparte Respekt zollte. Wie würden dessen Männer darauf reagieren, dass nun der bisherige Feind Thielmann Seite an Seite mit ihnen kämpfen wollte?
Doch er schob diese Gedanken beiseite, ließ sich von seinem Freund gratulieren, und nun war er es, der redete und redete, während Carlowitz zuhörte.
»Ich habe die Zustimmung des Zaren, dass wir eine Sächsische Division der deutschen Armee bilden!«, berichtete er voller Begeisterung. »Vom Stein, der hinter all den Plänen des Zaren steckt, will die Lausitz bewaffnen. Wir nehmen alle Sachsen zusammen, die übergetreten sind, und auch Kriegsgefangene, die sich freiwillig dazu melden. Vorerst nur Infanterie und Artillerie, aber so könnten wir es auf etliche tausend Mann bringen. Jedes Bataillon bekommt eine eigene Fahne mit einem Symbol, das auf ein einiges Deutschland hinweist.«
Das waren nun Aussichten, die auch den Oberst aus der für ihn untypischen Lethargie rissen.
»General Wintzingerode hat in Leipzig eine Kompanie Studenten in Reserve. Die sollten wir einbeziehen«, schlug er sofort vor.
»Steckt Miltitz irgendwo in der Nähe?«, fragte Thielmann ungeduldig. »Ich muss mich bei ihm entschuldigen. Und ich will ihn bei dieser Sache dabeihaben.«
»Ich bin auch gerade erst angekommen. Aber wo sein Korps steht, finden wir sicher schnell heraus.«
Sie gingen nach draußen und fragten den ersten Stabsoffizier, den sie trafen, wo das Korps Wintzingerode Quartier bezogen hatte, in dem von Miltitz im Rang eines Obersts diente. Es war nicht weit. Sie liefen zu Fuß und trafen den Weggefährten aus jungen Jahren, als er gerade aus dem Sattel stieg.
Verblüfft starrte er auf die beiden Männer, die ihm entgegenkamen, und zog sofort den richtigen Schluss daraus, dass der einstige Torgauer Festungskommandant keine sächsische Uniform mehr trug.
»Sie hatten von Anfang an recht, mein Freund. Ich kann mir meinen Fehler selbst kaum verzeihen. Können Sie es?«, sagte Thielmann, bevor sonst jemand zu Wort kam.
»Was werden Sie tun?«, fragte Dietrich von Miltitz mit skeptischem Blick und strich sich das etwas zu lang gewachsene Haar zurück.
»Mir zuerst die Uniform eines russischen Generalleutnants besorgen. Und dann eine Sächsische Division auf die Beine stellen – gemeinsam mit Ihnen, wenn Sie mir dabei helfen wollen!«
Jetzt leuchtete reine Freude auf Miltitz’ Gesicht. Er ging auf Thielmann zu und umarmte erst ihn, dann Carlowitz.
»Und ob ich dabei bin!
Das
würde ich mir nie verzeihen: Wenn das ohne mich vonstattengehen würde!«
Lachend und sich einander ins Wort fallend liefen sie zu Carlowitz’ Quartier.
»Wie geht es Sarah?«, erkundigte sich Thielmann. Die Frau seines Freundes war eine Engländerin, eine Bürgerliche von großer Klugheit und Kunstverstand.
»Sie wird glücklich sein, dass Sie Ihre Entscheidung getroffen haben.«
»Unsere Begegnungen auf Siebeneichen habe ich vermisst«, gestand Thielmann
Weitere Kostenlose Bücher