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1816 - Der sanfte Henker

1816 - Der sanfte Henker

Titel: 1816 - Der sanfte Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Viel zu sanft. Man hat mir auch einen Namen gegeben. Ich bin der sanfte Henker, verstehst du? Ich bin der sanfte Henker. Merke dir diesen Satz und nimm ihn mit in den Tod.«
    Das letzte Wort löste bei mir so etwas wie eine Alarmsirene aus. Ich hatte das Gefühl, schreien und die Tür aufbrechen zu müssen. Ich hatte mich längst wieder aufgerichtet und machte den Anschein eines Mannes, der Anlauf nehmen will, um die Tür einzutreten.
    So gern ich es auch getan hätte, ich ließ es bleiben. Ich musste mich zusammenreißen, was bestimmt nicht einfach war, aber manchmal hat man eben keine andere Wahl.
    Ich ging wieder in die Knie und starrte erneut durch das viel zu kleine Schlüsselloch.
    Der Behaarte lag noch immer auf dem Bett. Das war alles. Er wollte nicht mehr. Ich sah auch die Feder in seinem Körper stecken. Die Schmerzen mussten ihn quälen. Ein Stöhnen war zwar nicht zu hören, aber ein lang gezogenes Seufzen, und dazwischen ein Jammern.
    Von der nackten Frau sah ich nichts mehr. Sie war allerdings noch da, denn ich hörte ihre Stimme, und es dauerte nicht lange, da erschien sie wieder.
    Diesmal sah ich sie gehen.
    Sie bewegte sich leichtfüßig, fast schon tänzelnd, und sie hielt ihren Blick auf die Tür gerichtet, hinter der ich hockte.
    Ich fragte mich, was sie damit bezweckte. Wollte sie mich provozieren und mir zeigen, dass sie wusste, dass noch jemand vorhanden war und ihr zuschaute?
    Das konnte durchaus sein.
    Ihre Schwester konnte sie gewarnt haben, und auch Matthias, dessen Name mir einfach nicht aus dem Kopf wollte.
    Der Haarige blieb in seiner Stellung. Es war nichts mehr von ihm zu hören. Kein schweres Atmen, kein Stöhnen und doch steckte die Feder mit dem Schaft im Körper.
    Blut sah ich nicht, es konnte auch sein, dass die vielen Haare es verdeckten. Jedenfalls war der Mann verletzt. Die sanfte Henkerin sah ich nicht mehr, konnte mir aber vorstellen, dass sie plötzlich wieder erschien und das Grauen seine Fortsetzung nahm.
    Ich sagte nichts.
    Ich tat auch nichts.
    Ich wusste, dass sich die Tür von mir nicht öffnen ließ. Dafür richtete ich mich wieder auf, um meinen Rücken zu stärken. Noch immer stellte sich die Frage, was ich tun sollte.
    Versuchen, in den anderen Raum zu gelangen?
    Ja, das war es.
    Aber wie?
    Durch diese Tür nicht. Sie war zu. Ich hatte mich davon überzeugt. Und so musste ich nach einer anderen Möglichkeit suchen.
    »Du wieder …«
    Der Mann hatte gesprochen. Seine Stimme hatte sich schwer angehört, als hätte er Mühe, die einzelnen Buchstaben aneinander zu reihen.
    »Ja, warum nicht?«
    »Was willst du denn?«, stöhnte der Behaarte.
    »Dich.«
    Da lachte er. Als das aufhörte, fing er an zu sprechen. »Das ist doch gelogen, verflucht. Ich spüre die verdammte Feder in meinem Körper. Wie gesagt, ich spüre sie nur, sie bereitet mir keine Schmerzen, aber ich weiß, dass ich Schmerzen haben werde, wenn du sie aus meinem Körper ziehst.«
    »Meinst du?«
    »Ja, verdammt, du hast mir vom sanften Henker erzählt. Ich glaube nicht, dass du der sanfte Henker bist. Du bist eine, der es Spaß macht, andere zu quälen.«
    »Warum sollte ich?«
    »Der Spaß.«
    Da lachte sie sanft. »Ja, manchmal. Das stimmt schon.« Sie nickte. »Ich habe dann Spaß …«
    »Und was habe ich dir getan?«
    »Nichts.«
    »Warum steckt dann die Feder in mir?«
    »Weil sie zu mir gehört. Sie ist die Sanfte, sanft wie eine Feder, das sagt man doch – oder?«
    »Ja«, flüsterte er mit schwerer Stimme. »Aber auch tödlich …«
    »Gratuliere.«
    »Wozu?«
    »Dass du so gut Bescheid weißt.«
    »Hör auf, mich zu verspotten …«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich verspotte dich nicht.«
    »Ach, was ist es dann?«
    »Ich denke daran, dass ich dich zufriedengestellt habe. Du warst gierig nach meiner Nacktheit. Du wolltest mich als Geschöpf haben. Dir war alles egal. Du hast Warnungen in den Wind geschlagen. Dir war einzig und allein wichtig, mit mir in Kontakt zu kommen. Das hast du auch geschafft.«
    »Aber um welchen Preis?«
    »Das ist eine andere Sache. Er war zuvor nicht ausgehandelt worden. Tut mir leid.«
    »Wie – wie – hätte ich auch daran denken können, dass du so grausam bist?«
    »Ach – nun reiß dich mal zusammen.« Sie strich mit den Händen über seinen nackten Oberkörper. Für den Zuschauer sah es aus, als sollte er liebkost werden.
    Das konnte ich mir nicht vorstellen. Ich wollte eine Pause einlegen und drückte mich wieder hoch. Das tat meinem Rücken gut. Ich

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