1816 - Der sanfte Henker
auch?«
»Sicher.«
Ich wollte noch mehr wissen und fragte: »Wer sind denn deine Freunde, die sich über einen Mord freuen? So etwas kann ich mir gar nicht vorstellen.«
»Es reicht, wenn ich das kann.«
»Tust du es nicht wegen deines Geliebten?«
»Wie? Wer sollte das denn sein?«
»Ich kenne Matthias und hörte, dass er wieder aktiv ist.«
»Ach ja? Und weiter?«
»Nichts weiter, ich habe nur nachgedacht und kann mir vorstellen, dass du und Matthias ein ideales Paar seid. Er hatte schon immer einen schlimmen Geschmack.« Das war nicht eben ein Kompliment für sie, doch es war mir egal, wie sie es ansah.
Ich wartete auf eine Antwort, die ich aber nicht bekam. Zumindest nicht akustisch. Da tat sich etwas anderes. Es war im Hintergrund zu hören. Eine schwache Flüsterstimme, dann ein Geräusch, das ich nicht kannte, und wenig später erklang ein leises Lachen.
Und dann hörte ich ein Zischen.
Mein erster Gedanke bestand nur aus einem Wort.
Gas!
***
Für mich gibt es nichts Heimtückischeres als dieses verdammte Gas. Egal, ob es nun tödlich war oder nur den Menschen die Sicht nahm, weil es dann zu einem Nebel wurde.
Schon allein das Zischen war schlimm.
Ich schnappte nach Luft, was ich ja noch konnte. Ich schmeckte auch nichts, das Gas war geruchlos, und es war auch nicht zu sehen.
Kein Nebel und kein Dunst, der sich zu Wolken aufgebläht hätte, die in meine Richtung getrieben wären.
Als Mensch gegen ein unsichtbares, wenn möglich noch giftiges Gas zu kämpfen war ein ungleicher Kampf, den ich nur verlieren konnte. Noch sah ich eine Chance, diesem Schicksal zu entgehen. Ich dachte an die beiden Türen. Durch eine war ich gekommen, und durch sie wollte ich den Raum auch wieder verlassen.
Ich lief auf die Tür zu, erreichte sie und musste feststellen, dass sie jetzt abgeschlossen war.
Ein leichter Anfall von Panik schoss in mir hoch. Ich lief zur zweiten Tür. Auch sie war abgeschlossen.
Klar. Es hätte für die andere Seite keinen Grund gegeben, die Tür offen zu lassen.
Fenster gab es nicht. Ich befand mich hier in einem Keller, das fiel mir jetzt wieder ein.
Und es zischte noch immer …
Ich wollte so lange wie möglich bei klarem Verstand bleiben. Gas steigt in die Höhe. Es ist in der Regel leichter als Luft. So beschloss ich, mich näher am Boden zu bewegen. Hier konnte ich noch länger Luft holen.
Ich ging in die Hocke.
Es zischte weiter.
Und man beobachtete mich auch, denn immer wieder hörte ich die entsprechenden Kommentare.
Sie sprach vom Gas, das mich bald erreicht haben würde. Ich wurde darüber aufgeklärt, dass es ein Gas war, das einen Menschen erstickte.
Ich nickte nur.
Ein Lachen folgte. »Hast du mir sonst nichts zu sagen?«
»Was willst du denn hören?«
»Dass es aus ist. Dass wir uns über deinen Tod freuen können. So und nicht anders liegen die Dinge.«
Es stimmte. Sie hatte ja so recht, und das wiederum ärgerte mich gewaltig. Tun konnte ich nichts dagegen.
Das Zischen blieb.
Ich spürte das Gas, denn es strich über meinen Nacken hinweg wie ein warmer Schauer …
Etwas krampfte sich bei mir zusammen. Ich hockte nicht mehr, sondern stand jetzt auf.
Mit beiden Händen stützte ich mich an der Wand ab. Ich wollte meine Schwäche bekämpfen und mein Ende so lange wie möglich hinauszögern.
Die Wand schwankte. Sie schien aus Gummi zu sein. Sie fiel auf mich zu.
Zusätzlich drang etwas in meine Lunge ein, das mir den Atem raubte. Ich hatte immer größere Mühe, mich auf den Beinen zu halten.
Und dann kam der Punkt, an dem mir die Wand auch nichts mehr half.
Ich fiel einfach um.
Und dann lag ich da. Ich war auf den Bauch gefallen und hatte den Kopf ein wenig zur Seite gedreht. So atmete ich durch den offenen Mund und fand meine Lage gar nicht mal so übel.
Das heißt, ich lag zwar auf dem Boden, fühlte mich aber gar nicht so schlecht und hatte das Gefühl, immer leichter zu werden.
Auch das Zischen war noch da.
Sogar sehr nahe.
Ich lachte.
Und dann lachte ich nicht mehr, denn jemand zerrte an mir und riss mich in ein tiefes Loch …
***
»Da stimmt was nicht, Suko.«
Der Angesprochene hob den Blick. »Wen oder was meinst du denn?«
»Frag doch nicht so. John Sinclair.«
Suko nickte. »Ja, er ist schon zu lange weg. Er hat sich melden wollen und hat es nicht getan. Ich denke, dass wir handeln sollten.«
»Zu ihm fahren?«
»Was sonst?«
Auf diese Entwicklung hatte Glenda lange gewartet, denn ihre Sorge um John war immer größer
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