1817 - Der Nachtmahr
ich mich darüber freuen können, aber hier war alles anders. Trotz der zahlreichen Kerzen erreichte uns keine Wärme. Das Feuer brannte, aber es schien kalt zu sein. Zudem bekamen wir keine Grenzen zu sehen. Weder nach oben hin noch zu den Seiten, aber je weiter wir gingen, umso mehr Kerzen mit brennenden Dochten tauchten auf.
Ich blieb irgendwann stehen und drehte mich um. Uma Stern war hinter mir geblieben. Jetzt schauten wir uns in die Gesichter.
»Und?«, fragte sie.
Ich zuckte mit den Schultern. »Sorry, aber ich weiß auch keinen Rat mehr.«
»Was heißt das?«
»Dass wir uns in einem Gebiet verlaufen haben, in dem es keine Grenzen gibt. Wir sind in einer anderen Dimension gelandet.«
»Toll. Und in welcher?«
»In der des Nachtmahrs.«
Ob sie erschrak, sah ich nicht. Jedenfalls hatte sie sich gut in der Gewalt. Für einen kurzen Moment biss sie auf ihrer Unterlippe und nickte dann.
»Wenn du mehr wissen willst, müssen wir es herausfinden.«
»Ja, das ist wohl wahr. Eigentlich möchte ich nur eines wissen, wenn ich ehrlich bin.«
»Was denn?«
»Ganz einfach. Ich möchte nur wissen, wie wir hier wieder rauskommen.«
»Ja, das möchte ich auch gern.«
»Und?«
»Im Moment habe ich keine Vorstellung, aber das kann sich ja noch ändern. Die Hoffnung stirbt zuletzt.«
»Darüber kann ich nicht mal lachen.«
Konnte ich auch nicht. Aber wir hatten keine Wahl. Wir mussten weitersuchen und hoffen, dass wir irgendwann mal eine Grenze erreichen würden.
Aber gab es hier überhaupt Grenzen, oder war diese Dimension grenzenlos? Ich wusste es nicht. Es sah alles gleich aus, und es kam mir auch irgendwie neutral vor.
Ich warf Uma Stern einen fragenden Blick zu, als ich sah, dass sie nickte. Da sie keine Erklärung abgab, wollte ich wissen, was passiert war.
Ihr Blick blieb an mir hängen. »Eigentlich nichts«, flüsterte sie, »es ist nichts passiert, und doch passiert immer etwas.«
»Wie meinst du das?«
Sie kam einen Schritt näher. »Wir sind doch hier in einer ganz anderen Szenerie.«
»Und weiter?«
»Das ist die Welt des Nachtmahrs oder auch der Nachtmahre. Wir sind in einer Traumreise gefangen. Verstehst du?«
»Ich bemühe mich.«
»Ja, ja.« Sie nickte. »Diese Welt ist nicht fest. Sie muss geschaffen worden sein. Oder sie ist auch gefunden worden.«
»Von wem?«
»Ganz einfach. Von einem, der träumt. Irgendwo muss es jemanden geben, der sich diese Welt erträumt hat.«
»Meinst du?«
»Ja.«
Darüber musste man erst nachdenken. Ich tat das sehr intensiv und konnte nicht mit einem Gegenargument aufwarten. Dafür sagte ich: »Dann könnte diese Welt jeden Moment zusammenbrechen, wenn der Schläfer nicht mehr träumt.«
»Ja, so ist das. Er ist uns unbekannt. Aber wir sind in seine Traumwelt geraten. Es ist zu einer Verschiebung der Dimensionen gekommen.«
»Und das ist so einfach?«
»So sieht es aus, John.«
»Aber warum ist das so?«
»Das will ich dir sagen.« Sie hatte hektisch gesprochen. Es war ihr anzusehen, dass sie unter Druck stand. Die Augen zeigten einen fast schon fanatischen Glanz, und jetzt hatte sie auch die richtigen Worte gefunden.
»Es liegt an mir, John. Einzig und allein an mir. Sonst sehe ich da keinen.«
»Meinst du wirklich?«
»Ja, so muss man es sehen, ich lasse mir das auch nicht ausreden. Es gibt keine andere Möglichkeit für mich. Wir befinden uns in der Welt eines Traums.«
Das sah ich auch langsam ein, und ich fragte mich, was passieren würde, wenn diese Welt zusammenbrach und wo wir dann waren. Aber wie war das möglich, dass so etwas passieren konnte?
Das war die große Frage, auf die ich noch keine Antwort wusste. Uma Stern jedoch sah, dass ich mir über etwas Gedanken machte, und sie wollte den Grund wissen.
»Nun, Uma, ich glaube nicht, dass alles so einfach ist. Dass man uns so mir nichts dir nichts in diese Welt verfrachten kann. Es muss einen Grund geben.«
»Ja.«
»Sehr schön. Weißt du mehr?«
»Ich denke schon.« Sie konnte plötzlich lächeln. »Der Grund bin ich ganz allein.«
Sie hatte den Satz mit einer solchen Selbstverständlichkeit ausgesprochen, dass ich stutzte.
»Glaubst du mir nicht?«, fragte sie.
Ich wiegte den Kopf. »Ich hätte zumindest gern so etwas wie eine Erklärung.«
»Klar. Die Erklärung bin ich.«
Ich schluckte und stutzte. »Also du? Dann habe ich doch richtig gehört?«
»So ist es. Ich bin die Erklärung.«
»Und warum?«
»Weil ich zwar aussehe wie ein Mensch, aber in Wirklichkeit noch
Weitere Kostenlose Bücher