1817 - Der Nachtmahr
er zubiss und Blut saugte, denn mittlerweile hatte ich mich damit abgefunden, einen Wachtraum zu erleben.
Selbst seine Augen waren blutunterlaufen. Ich sah in ihm eine Ausgeburt an Hässlichkeit.
»Willst du es wirklich tun, John?«
»Ja«, sagte ich und drückte ab.
Der Schuss peitschte auf. Ich hörte das Echo in meinen Ohren rollen. Ich sah, dass die geweihte Kugel in das Gesicht hinein hieb, und es zerstörte.
Es flog auseinander.
Und diese Welt auch, die nicht mehr blieb. Wir wurden von einer gewaltigen Kraft gepackt, dabei herumgewirbelt und irgendwohin geschleudert.
Ich hörte noch den Schrei der Hexe, dann wurde es dunkel um mich …
***
Nein, bewusstlos wurde ich nicht. Es war nur alles anders. Ich fühlte mich wie das berühmte Blatt, das der Wind vom Baum gerissen hatte und womit er nun spielte.
Ich rutschte über den Boden, zumindest glaubte ich das, und kam zur Ruhe. Es war mir nichts passiert. Das einzig Störende war die Dunkelheit um mich herum, und die war absolut. Da gab es keinen einzigen Lichteinfall.
Völlige Finsternis!
Ich saß auf dem Boden und atmete tief ein. Die Luft war kühl, die meine Lungen füllte. Man konnte den Eindruck gewinnen, sich draußen aufzuhalten, was möglicherweise auch der Fall war. Zunächst aber wollte ich etwas anderes wissen und stellte meine Frage mitten in die Dunkelheit hinein.
»Ist hier jemand?« Ich hatte die Worte mit einer normalen Lautstärke gesprochen, musste aber erleben, dass sie einen Hall auslösten und sich irgendwo verliefen.
Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich kam mir vor wie in einer großen Halle liegend, deren Wände Echos zurückwarfen.
Und ich bekam eine Antwort.
»John?«
Jetzt hallte die Stimme der Hexe.
»Hi, Uma. Schön, dich zu hören.«
»Schon gut.«
»Kannst du wenigstens sagen, wo wir uns befinden? Ich habe damit meine Probleme.«
»Nein, das kann ich auch nicht. Höchstens raten.«
»Dann rate mal laut.«
»Wir – wir – sind zwischen den Träumen gelandet, John. In einer dunklen Welt. Mehr kann ich auch nicht sagen. Ob es zutrifft, weiß ich nicht. Ich hoffe es aber.«
Ich nickte, obwohl mich niemand sah. Ja, das war eine Möglichkeit, wenn auch eine verrückte. Aber was in meinem Leben war eigentlich nicht verrückt?
Alles war überdreht. Ich erlebte Dinge, die mit dem Begriff unglaublich überschrieben werden konnten, und heute war es nicht anders. Auch dieser Fall war unglaublich, und er hatte noch kein Ende gefunden, denn keiner von uns wusste, wie es weiterging und ob sich die Schwärze um uns herum je wieder auflöste.
»Wie geht es dir sonst, Uma?«
»Nicht schlecht. Ich bin nicht verletzt. Ich kann mich bewegen wie immer.«
»Das ist gut. Dann sollten wir versuchen, dass wir wieder zusammenfinden.«
»In der Finsternis?«
»Wir strengen eben unser Gehör an.«
»Okay, das ist einen Versuch wert. Aber da gibt es noch ein Problem«, fügte ich hinzu.
»Welches?«
»Es ist profan, aber hast du herausgefunden, auf welcher Unterlage du dich befindest?«
»Nein.«
»Spürst du eine?«
»Auch nicht.« Beinahe hätte ich gelacht. »So ergeht es mir auch. Und jetzt frage ich mich, wo wir uns befinden.«
»In der Welt eines Schlafenden. In einer ohne Träume. Vielleicht wird sich das noch ändern.«
»Kann sein, aber darauf will ich nicht setzen. Ich habe keine Lust auf andere Welten. Mir reicht meine, und in die will ich sobald wie möglich wieder zurück.«
»Ja, ich auch. Aber kennst du einen Weg?«
»Nein.«
»Ich auch nicht«, gab sie zu. »Ich denke, dass wir bald wieder manipuliert werden. Es ist besser, als in der Dunkelheit zu lauern. Und das in einer anderen Dimension.«
Es war wirklich unglaublich oder verrückt, aber es traf im Kern die Sachlage, und ich wusste auch nicht, wie wir uns aus eigener Kraft befreien könnten.
Ich tastete mich ab.
Das Kreuz war noch da, doch es half mir jetzt auch nicht weiter. Ich musste mich auf andere Helfer verlassen, nur bestand die Frage, ob die je auftauchen würden.
Wir warteten. Wir hörten unsere Atemzüge und manchmal auch die Flüche, dann dachte ich an meine Taschenlampe und meine Hand glitt über meine Kleidung zu der Tasche, in der sie sich befand. Irgendwie hatte Uma etwas mitbekommen, denn sie fragte: »Was machst du da?«
»Licht!«
»Und wie das?«
»Mit einer Taschenlampe.«
»Hast du …«
»Ja, die habe ich. Aber ich weiß nicht, ob das Licht stark genug ist, um gegen diese Dunkelheit anzukämpfen. Sie scheint mir etwas
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