1819 - Der vergessene Templer
Entfernungen eben ganz anders, und das bekam ich hier wieder zu spüren.
Der Audi tat seine Pflicht. Zum Glück war die Straße nicht von Geröll übersät. Ich kam gut voran und ich merkte auch, wie meine Anspannung allmählich nachließ und mich eine gewisse Gelassenheit überkam. Ich war nicht nervös, sondern recht locker und wartete darauf, dass ich endlich dem Mörder gegenüberstand.
Immer wieder drehten sich meine Gedanken um diese Gestalt. Sie war ein Ritter, aber wer verbarg sich unter der Rüstung, und weshalb hasste er die Menschen mit dem Namen Sinclair?
Der Grund musste in der Vergangenheit liegen.
Etwas irritierte mich.
Es waren nicht meine Gedanken, sondern das, was ich vor mir entdeckte.
Zuerst wollte ich es nicht glauben, aber das Fernlicht trog nicht. Es zeigte etwas Neues. Und zwar etwas, was ich bisher hier noch nicht gesehen hatte.
Eine Gestalt!
Sie stand mitten auf dem Weg, und sie sah so aus, als wollte sie mir nicht aus dem Weg gehen.
Ich fuhr weiter, aber ich ging mit der Geschwindigkeit runter. Es war keine Einbildung, was ich da sah. Ich glaubte auch nicht an einen hohen Stein oder etwas Ähnliches. Das hier war echt, und ich ging noch immer davon aus, dass es sich um einen Menschen handelte.
Er wich nicht zur Seite. Es wies alles darauf hin, dass er sich überfahren lassen wollte, denn er ging nicht zur Seite.
Im Fernlicht sah ich ihn immer besser. Es war ein glänzender Mensch, und ich glaubte nicht daran, dass man einen Körper mit einer Salbe eingeschmiert hatte. Der Glanz hatte einen anderen Grund.
Und den bekam ich bald zu sehen. Es lag an der Kleidung, die man nicht als eine solche ansehen konnte. Ein anderes Wort traf eher zu.
Rüstung.
Eines stand fest.
Ich hatte den Ritter gefunden.
Oder er mich!
***
Ich musste mich entscheiden. Entweder fuhr ich weiter und provozierte ihn, oder ich bremste ab, um ihm später auf Augenhöhe gegenüberzustehen.
Ich entschied mich für die zweite Möglichkeit. Sie erschien mir effektiver. Ich bremste ab, und ich war davon überzeugt, vor mir den Sinclair-Hasser zu sehen.
Einige Sinclairs hatte er bereits getötet. Jetzt bekam er die Chance, noch einen weiteren ins Jenseits zu schicken. Nur würde ich es ihm nicht leicht machen, obwohl er seine Waffe, das Kurzschwert, bereits in der rechten Hand hielt.
Mich störte das nicht. Ich konnte ihm mit Kugeln begegnen, aber ich musste auch eine Körperstelle treffen, die nicht geschützt war, und das war nicht so leicht. Er trug den Helm, und dessen Visier war nach unten geklappt. Für seine Augen war ein Sehschlitz vorhanden, sodass er mich unter Kontrolle halten konnte.
Es war schon ein ungewöhnliches Bild. Ich war ausgestiegen. Wir standen uns beide gegenüber, und ich schaute ihn mir genau an. Auf seiner blanken Rüstung spiegelte sich das kalte Mondlicht.
Ich war gespannt, wie er sich verhalten würde. Es brachte keinen von uns weiter, wenn nichts passierte. Also ergriff ich die Initiative und ging auf ihn zu.
Ich hatte vor, mich bis auf drei Schritte zu nähern und wollte es auch auf einen Kampf ankommen lassen, aber der Ritter machte mir einen Strich durch die Rechnung.
Er drehte sich um und lief weg. Ich hatte das Nachsehen, denn ich war nicht darauf erpicht, zu Fuß die Verfolgung aufzunehmen und durch das raue Gelände zu rennen.
Er bewegte sich schnell und wendig, was mich bei der Rüstung schon wunderte. Aber er kam gut weg und drehte sich nicht einmal um, um nach mir zu schauen.
Irgendwann hatte ihn dann die Dunkelheit verschluckt.
Ich ärgerte mich nicht darüber, dass ich die Verfolgung nicht aufgenommen hatte. Stattdessen machte ich mir Gedanken darüber, warum er mich zunächst erwartet hatte und dann weggelaufen war. Ich konnte mir darauf keinen Reim machen, was auch nicht weiter tragisch war.
Und dann hörte ich das Lachen. Es gab nur einen, der es ausgestoßen haben konnte.
Der Ritter schickte es mir aus der Ferne zu. In der Stille war es gut zu hören. Es brandete mir regelrecht entgegen und verstummte dann abrupt. Die Stille legte sich wieder auf das Land, und ich atmete auf.
Warum war der Ritter erschienen? Die Frage stellte sich mir. Was hatte er gewollt?
Ich wusste es nicht. Ich konnte nur raten und kam zu dem Schluss, dass er sich seinen Gegner vielleicht erst mal anschauen wollte.
Jetzt war er weg. Nur glaubte ich nicht daran, dass er sich für immer verabschiedet hatte. Er hatte etwas herausfinden wollen und war dann verschwunden.
Aber er würde
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