1823 - Totenland
senkte den Blick. »Es ist eine Sumpfgegend, und darum kümmert sich offiziell niemand.«
»Und inoffiziell?«
»Kannst du auch vergessen, gäbe es da nicht diese Torffabrik, die schon seit langer Zeit existiert. Schon im Zeitalter des Zaren hat es sie gegeben.«
»Ist die Fabrik noch in Betrieb?«
»Ja.«
»Dann muss es in der Nähe auch eine Stadt geben, in der die Arbeiter leben.«
»Ja, es gibt zwei, drei Orte, das ist wahr.«
»Nicht schlecht. Und wo fahren wir hin?«
»Nach Ostrow.«
»Nie gehört.«
»Kann ich mir denken, ich auch nicht. Dabei ist es der größte Ort. Die Menschen leben schon lange dort. Auch einige deutsche Familien sind darunter. Sie wurden damals noch vor der Revolution ins Land geholt.«
Ich nickte. »Davon hörte ich.«
»Und nicht alle sind gegangen, als der Eiserne Vorhang fiel. Aber das ist zweitrangig.«
Ich schaute von meiner fast leeren Tasse hoch. »Im Prinzip geht es ja um Wladimir, Rasputin und Chandra. Oder liege ich falsch?«
»Ganz und gar nicht.«
»Also gut. Kannst du dir vorstellen, wo du die drei suchen musst? Wo ist der Anfang? Wo das Ende? Weißt du das?«
»Nein.«
»Das heißt, du gehst nicht davon aus, dass sich die Personen ein Versteck mitten im Totenland gesucht haben?«
»So ist es.«
»Und wo dann, Karina? Wo sollen wir anfangen zu suchen? Kannst du mir das sagen?«
»Kann ich nicht. Ich habe nur eine Hoffnung. Wir werden in Ostrow bleiben und die entsprechenden Fragen stellen. Ich kann mir denken, dass es Menschen gibt, die mehr wissen.«
So dachte ich nicht. Ich schwächte meine Antwort eher ab. »Da bin ich dann mal gespannt. Wir suchen ein Kloster, das darfst du auch nicht vergessen.«
Karina saugte hörbar die Luft ein. »Ja, ich gehe davon aus, dass sie sich in einem Kloster versteckt halten. Leider habe ich keines auf der Karte gefunden.«
»Das kann auch ganz woanders liegen.«
»Ist auch möglich.«
Beide gingen wir davon aus, dass man Rasputin in einem alten Kloster versteckt hielt. Es wäre seiner Herkunft würdig gewesen, denn er war ein Mönch gewesen und hatte in Klöstern gelebt.
Ob das heute noch so zutraf, wussten wir nicht. Aber den Gedanken verloren wir nicht aus dem Sinn.
»Wir müssen jedenfalls nach Ostrow fliegen«, fasste ich zusammen und trank den letzten Schluck aus der Tasse.
»Das müssen wir.«
»Und? Steht die Maschine schon bereit?«
Karina schaute auf die Uhr. »Noch nicht, aber in wenigen Minuten. Wir werden hier starten können und in Ostrow landen.«
»Kennst du denn die Linie, mit der wir fliegen?«
»Ja. Ich habe von meiner Firma ein Flugzeug gechartert. Da sind wir auf der sicheren Seite.«
»Das hoffe ich doch.«
Karina legte ihre Hand auf die meine. »Immer noch der alte Zweifler, John?«
»Ja, das ist leider so. Man hört einfach von zu vielen Abstürzen bei euch.«
»Das ist leider wahr, es sind die kleinen Maschinen, deren Piloten etwas weniger gut ausgebildet sind und die dann noch in Maschinen gesetzt werden, die auch nicht mehr zu den jüngsten gehören.« Sie zuckte mit den Schultern. »In meinem Land hier hat sich schon einiges geändert. Leider nicht alles. Und ob das je der Fall sein wird, das weiß ich auch nicht.«
»Man muss es jedenfalls erhoffen.«
»Du sagst es, John.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Wir holen dein Gepäck.«
»Das dreht bestimmt einsam seine Runden.«
»Dreht es nicht, denn ich habe dafür gesorgt, dass es schon an die richtigen Leute kommt.«
»Und durchsucht wird, oder?«
»Das glaube ich nicht. Nein, nein, die Zeiten sind vorbei, sie würden auch mit mir Ärger bekommen.«
»Dann bin ich zufrieden. Aber was anderes. Hast du dir schon mal Gedanken darüber gemacht, wie es in Ostrow weitergehen wird?«
Karina holte erst mal Luft. »Du kannst Fragen stellen, John.«
»Dafür bin ich bekannt.«
»Also gut, hier hast du meine Antwort. Nein, ich weiß nicht, wie es dort weitergehen soll.«
»Gibt es da einen Polizisten?«
Sie winkte ab. »Ich habe mich informiert«, sagte sie, »es gibt keinen Polizisten. Keinen offiziellen, aber die Bewohner haben ihrem Bürgermeister und noch zwei Leuten eine gesetzliche Handhabe gegeben. So agieren sie als Polizisten. Na ja, auf dem Land ist eben alles etwas anders. Da muss man schon improvisieren.«
»Das habe ich auch kapiert.«
Karina lächelte. »Dann können wir.«
»Klar, aber nur mit Gepäck.«
»Keine Sorge, das wirst du schon noch bekommen.«
Und damit behielt sie recht. Ich bekam meine
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