1823 - Totenland
um den Laptop!
In einem der Zimmer in der großen Wohnung befand sich auch Karinas Büro. Dort hinein ging sie und setzte sich vor ihren Laptop, den sie nicht erst hochfahren musste. Er war immer am Netz, und sie gab den Begriff Totenland ein.
Jetzt war sie bereit. Ihr Herz schlug schneller. Ein Zeichen, dass auch sie nur ein Mensch war, und jetzt hoffte sie auf den einen oder anderen Treffer.
Und der wurde ihr gewährt.
Sie schüttelte den Kopf, weil sie es kaum glauben konnte, aber es war eine Tatsache. Viermal las sie den Namen. Es gab einen Film, ein Buch, sogar ein Gedicht – und eine Gegend in Sibirien, weit jenseits des Urals.
Das konnte es sein!
Karina Grischin lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. Sie musste jetzt erst mal nachdenken, das war wichtiger als alles andere. Totenland und Rasputin.
Passte das zusammen?
Ja, es passte. Davon war Karina überzeugt. Es passte ihrer Meinung deshalb, weil dieses Totenland eine einsame Gegend sein musste. Denn mit Rasputin konnte man nicht in die Öffentlichkeit. Er wäre zu sehr aufgefallen. Deshalb musste er gewissermaßen unter Verschluss gehalten werden, obwohl man ihm seine Bewegungsfreiheit nicht nehmen durfte. Also verstecken. In der Einsamkeit verstecken. Da war dieses Totenland die beste Adresse.
»Ja, das muss es sein«, sagte sie mit leiser Stimme. Die anderen Möglichkeiten konnte sie vergessen, und so konzentrierte sie sich nur auf das letzte Totenland.
Sie klickte den Begriff an. Wer ihn ins Internet gestellt hatte, wusste sie nicht, und sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass sie groß weiterkommen würde. Die Geografen und Kartenmacher hatten sich bestimmt damit beschäftigt, und sie sah tatsächlich eine Karte von einer Gegend jenseits des Urals. Da waren die Berge schon nicht mehr vorhanden. Das Gelände war abgefallen und sehr flach. Aber auch bewachsen und bedeckt von dem, was ihm vielleicht den Namen gegeben hatte. Sumpf. Moore. Menschenfeindlich. Kein Gebiet, in dem sich Menschen wohl fühlen konnten.
Auch bei Sonnenschein zeigte diese Umgebung bestimmt ein düsteres und abweisendes Gesicht.
Die Agentin ließ sich Zeit. Sie sah, dass es nicht nur Sümpfe gab, sondern auch kleine Gewässer, die man als Miniseen bezeichnen konnte. Die Oberflächen schimmerten in der Regel dunkel. Schnee oder Eis waren nirgendwo zu sehen. Die Reste des Winters waren weggetaut.
Und Menschen?
Beinahe hätte sie über ihre Gedanken gelacht. Menschen würde sie nicht zu sehen bekommen. Sie glaubte nicht daran, dass in diesen Sümpfen überhaupt ein Mensch leben konnte.
Und doch glaubte sie, dass das Totenland nicht einfach nur so erwähnt worden war. Dabei hatte sich Chandra schon etwas gedacht. Zudem liebte sie die Abgeschiedenheit, und sie glaubte fest daran, dass sie auch ein perfektes Versteck für Rasputin und Wladimir Golenkow war. Diese Sümpfe waren zwar menschenfeindlich, aber es gab immer wieder Situationen, in denen sich Menschen gerade in solchen Gebieten versteckt hielten oder sich heimlich etwas aufgebaut hatten. Das hatte sie schon öfter erlebt.
Sie lehnte sich zurück. Ein pfeifender Atemzug verließ ihre gespitzten Lippen. Um weiter zu kommen, musste sie das Gebiet genauer unter die Lupe nehmen, was sehr schwer sein würde. Sie versuchte es weiter über das Internet, weil sie sich bestimmte Gebiete einzeln anschauen wollte. Doch es gab keine Informationen über das Totenland, sie konnte sich die Gegend auf dem Bildschirm anschauen, das war aber auch alles.
Was tun? Hinfahren?
Ja, das war eine Möglichkeit. Zuerst mal weitere Informationen über diese Gegend holen und sich dann dort umschauen. Da mussten die Kollegen vom Geheimdienst einspringen. Für alles gab es Fachleute, auch für einsame Gebiete in Sibirien.
Aber nicht mehr in dieser Nacht. Auch Karina merkte jetzt, dass sie keine Maschine war, und spürte die Müdigkeit. Doch einen Gedanken musste sie noch durchziehen. Wieder mal stand sie allein auf weiter Flur, und das bei einem Fall, der verdammt gefährlich war.
Es ging unter anderem um Zombies, um lebende Leichen. Dafür schien dieses Land prädestiniert zu sein, und sie kannte einen Zombiejäger verdammt gut.
Nur lebte er nicht hier in Moskau, sondern in London. Aber das spielte keine große Rolle. Wenn John Sinclair Zeit hatte, würde er schnell in Moskau sein. Das hatte er schon öfter in den zurückliegenden Jahren bewiesen. Sie würde ihn anrufen und ihn hoffentlich am frühen Morgen in London
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