1824 - Zentrum der Zentrifaal
den Eindruck, daß sie eine besondere Eile an den Tag legten. Sie fühlten sich nicht wohl in Cursor, fürchteten eine Auseinandersetzung, die nur einer gewinnen konnte: der Zentrifaal.
Der Friede in Plantagoo, so verlockend er im großen wirkte, offenbarte Mängel im Detail. Es knirschte im Gebälk.
Martialisches dominierte. Gerade deshalb war ich überrascht, als wir Kunstwerke sahen, die eine wunderbare Anmut ausstrahlten. Das waren Plastiken, die ich in dieser Feinheit und mit solchen Details keinem Zentrifaal zugetraut hätte. Aber Caliform versicherte beim Andenken an den Kriegsherrn Gedeonta, daß ausschließlich zentrifaalische Hände diese Skulpturen geschaffen hatten.
Das Volk der Krieger war also zugleich eine Heimstatt feinsinniger Künstler?
„Ganze Straßenzüge, ja sogar Stadtviertel sind nach diesen Kunstwerken benannt", erklärte Caliform.
„Fastimmer sind es die Werke unbekannter Künstler, die seit Jahrhunderten unverändert auf den Plätzen der Stadt stehen. Kein Zentrifaal würde es wagen, Hand an sie zu legen, er zöge unweigerlich die Verachtung aller auf sich."
„Ein Volk, das seine Künstler ehrt, kann nicht von Grund auf böse sein", murmelte Bully. Lauter fügte er hinzu: „Wann wurden die Plastiken geschaffen, Caliform?"
„Keine ist älter als tausend Jahre. Auch heute noch gibt es Männer und Frauen, die solche Skulpturen bauen."
Wir standen vor dem Reigen der Sterne in der Ewigkeit. Ein rotierendes, sich selbst in Bewegung haltendes Konglomerat, das von Sonnenenergie gespeist wurde. Hundert Meter hoch, wirbelten farbenprächtige Kugeln auf vorbestimmten Bahnen durcheinander. Ihr Durchmesser variierte von faustgroß bis zu mehr als einem Meter. Bei einer bestimmten Position im Zentrum des Gebildes schienen sie in Lichtkaskaden zu explodieren, nur um gleich darauf wieder die gewohnte Form anzunehmen.
„Werden und Vergehen des Universums, Krieg und Frieden halten die Welt in Gang", rezitierte Caliform.
Eine Haltestelle der Schwebebahn lag in der Nähe. Bevor wir sie jedoch erreichten, wurden wir Zeugen eines Zwischenfalls, der meine soeben erworbene Nachdenklichkeit wie eine schillernde Seifenblase zerplatzen ließ.
Ein Zentrifaal torkelte auf den Platz. Er hatte sichtlich Mühe, sich auf den Beinen zu halten, und wurde von Jugendlichen verfolgt, die auf ihn einschlugen.
Er stürzte, raffte sich auf, wurde erneut zu Boden gestoßen. Das Bündel, das er krampfhaft an sich preßte, entrissen sie ihm.
Der Platz war stark frequentiert. Hunderte Zentrifaal, aber auch Mocksgerger und Wesen, deren Namen ich nicht einmal kannte, hielten sich hier auf. Doch selbst jene, die nahe am Geschehen vorbeigingen, schauten weg.
„Warum schreitet niemand ein?" fragte ich.
„Der Mann ist ein Clanloser", lautete die lapidare Antwort.
„Das genügt mir nicht, Caliform, das ist zu dürftig."
Seine Linke, diese vollständig verschließbare Hohlschaufel, schloß sich um meinen Oberarm. Der Griff war überaus schmerzhaft und trieb mir das Wasser in die Augen.
„Clanlose sind Rechtlose", stieß Caliform schroff hervor. „Gibt es das in deiner Galaxis nicht, P-Rhodan?"
„Wir helfen unseren Alten und Alleinstehenden."
Er verstand nicht, was ich meinte, oder er wollte nicht verstehen.
„Ein Clanloser muß nicht alt sein. Auch die Jugendlichen, die ihn niedergeschlagen haben, waren Clanlose. Es kann jeden treffen, jederzeit."
Gehörte er nicht selbst in diese Gruppe? Oder gab es feine Unterschiede, die Bully und mir bislang nicht geläufig waren? Caliform klärte uns über Zusammenhänge auf, von denen wir bislang keine Ahnung gehabt hatten.
Ein Clan, das war mehr als eine Zweckgemeinschaft, aber auch keine Familie. Blutsbande existierten für die Zentrifaal nicht, wurden durch eine „willentliche Wahlverwandtschaft" ersetzt. Ein Clan war schlichtweg ethische, religiöse und soziale Weltanschauung.
Eine solche Gemeinschaft bestand aus jeweils sechzehn Mitgliedern, fast immer zehn männliche und sechs weibliche Personen. Die Gründe dafür waren Inder biologischen Entwicklungsgeschichte der Zentrifaal zu suchen. Zu einem Clan konnten mehrere Kinder und Halbwüchsige gehören, die aber nicht mitgezählt wurden. Mit Erreichen des elften Lebensjahres wurden sie grundsätzlich ausgestoßen, sie mußten sich als Clanlose bewähren undirgendwo Aufnahme finden. Dann erst begann für sie das Erwachsenenleben.
Es erschien seltsam und eigentlich unlogisch, aber innerhalb einer solchen
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