1825 - Schreie aus dem Fegefeuer
versuchen.«
»Und wehe, du lässt mich schlafen.«
»Mal schauen.«
»Ich warne dich.«
Er trank noch einen Schluck und schloss danach die Augen.
Ich hatte keine Lust, bei ihm zu bleiben. Auch mich lockten die Gänge des Zugs, und ich meinte auch, dass ich allmählich Hunger bekam. So suchte ich den Buffetwagen, zu dem ich wirklich nicht weit laufen musste. Es waren noch genügend Plätze frei, und ich setzte mich auf einen am Fenster.
Eine kleine Lampe gab ihr Licht ab. Zwischen ihr und dem Fenster stand die Speisekarte. Ich spürte meinen Hunger, und schon als ich daran dachte, wurde mein Appetit riesengroß.
Und doch reichte mir eine Suppe. Wenn man in der Schweiz ist, dann sollte man die Bündner Graupensuppe essen oder Gerstensuppe, wie sie in der Schweiz hieß.
Auch sie wurde angeboten, und ich hatte den Namen kaum gelesen, da lief mir schon das Wasser im Mund zusammen. Was immer noch kam, sie würde mich fast satt machen. Ich hatte am Nebentisch gesehen, dass es keine Tassen gab, sondern schon kleine Tröge.
Eine junge Frau hatte gesehen, dass ich die Karte nicht mehr in der Hand hielt. Sie war schnell bei mir, lächelte mich an und fragte: »Sie haben sich entschieden, mein Herr?«
»Habe ich.«
»Und was möchten Sie bestellen?«
»Die Gerstensuppe.«
Da strahlte die Bedienung. »Herrlich, da haben Sie eine gute Wahl getroffen.«
»Das hoffe ich.«
»Ich esse sie auch gern.«
»Dann bin ich gespannt.«
»Möchten Sie auch etwas trinken?«
»Ja, ein Bier. Eine kleine Flasche.«
»Werde ich Ihnen bringen.«
Es tat mir gut, im Wagen zu sitzen und auf das Essen zu warten.
Ich saß an einem Zweiertisch. Der Platz mir gegenüber war frei. Ich hoffte, dass es auch so blieb. Die anderen Fahrgäste schaute ich mir auch an, aber ich sah kein Gesicht, das bei mir ein Misstrauen geweckt hätte, und Urs Meyer und Edith tauchten auch nicht auf.
Die Suppe wurde rasch serviert. Zusammen mit dem Bier. Ein Glas war auch dabei, in das die Bedienung einschenkte. Ich trank erst mal einen Schluck, bevor ich mich meiner Suppe widmete. Sie schmeckte, sie war gut gewürzt, ich sah den knusprigen Speck als kleine Stücke in der Suppe schwimmen, aber das musste sein.
Zürich hatten wir verlassen. Wir fuhren jetzt in Richtung Vierwaldstätter See, und danach würde uns der Tunnel schlucken. Manche sahen ihn als finster an, weil er so lang war und nie aufhören wollte. Das galt besonders für die Autofahrer. Aber man war ja dabei, eine neue Röhre zu bauen, nur würde deren Fertigstellung noch auf sich warten lassen. Noch musste man sich mit dem alten Tunnel zufriedengeben, und da konnte noch einiges passieren.
Ich aß meine Suppe und gab mich wie ein völlig normaler Reisender. Natürlich hielt ich dabei die Augen offen, denn ich wollte so schnell wie möglich reagieren, wenn etwas passierte.
Ich schaffte die Suppe nicht ganz, aber sie hatte mir bis zum letzten Löffel geschmeckt.
Mein Smartphone meldete sich. Ich holte das flache Ding hervor und meldete mich.
»Keine Panik, ich bin es nur«, meldete sich Harry.
»Aha. Wo steckst du?«
»Noch immer im Abteil.«
»Gibt es denn eine Veränderung oder etwas Neues?«
»Bis jetzt nicht.«
Ich war zufrieden und fragte: »Dann hast du Edith Truger und Urs Meyer nicht gesehen?«
»So ist es.«
»Das lässt hoffen.«
Harry lachte. »Was hast du gegen sie?«
»Nichts. Ich möchte sie nur nicht in Gefahr bringen.«
»Okay, das kann ich verstehen. Und wann sehe ich dich wieder hier im Abteil?«
»Ich trinke nur noch mein Bier aus.«
»Was? Das wievielte ist es denn?«
»Das erste.«
Harry lachte. »Habe ich mir glatt gedacht.«
»Soll ich dir was mitbringen?«
»Nein, ich habe keinen Durst. Außerdem geht jemand mit einem Getränkewagen durch den Zug.«
»Dann bin ich zufrieden. Bis gleich.«
»Okay, John.«
Die nächst größere Stadt, in der wir hielten, war Luzern und lag bereits am See. Die Landschaft hatte sich verändert. Ich sah einige Berge, über die sich ein Himmel spannte, der bald dunkler werden würde. Den Abend hatten wir schon erreicht, und in zwei Stunden würde es dunkel sein.
Ich trank mein Glas leer und wollte zahlen. Dabei drehte ich mich um, denn ich suchte die Bedienung. Die war nicht da. Dafür ein junger Mann mit halblangen blonden Haaren, der nach meinen Wünschen fragte.
Ich teilte sie ihm mit.
»Ja, ich komme.«
Er brauchte nur wenige Schritte zu gehen und hatte mich erreicht. Ich schaute zu ihm hoch, und er zu mir
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