1826 - Das Nebelheer
natürlich noch eine Strecke zu fahren, bevor ich es erreichte, konnte mir jedoch ein gutes Bild machen.
Wie das Haus aus der Nähe auf mich wirkte, darüber war ich mir noch nicht klar. Aus der Distanz jedenfalls machte es einen guten Eindruck auf mich. Da gab es nichts, was auf einen Verfall hinwies.
Der Nebel war verschwunden. Ich hatte klare Sicht und sah ein Auto vor dem Haus. Es gehörte Jane Collins.
Ich parkte meinen Rover neben dem Golf, stieg aus und schritt auf den Eingang zu. Dabei streifte mein Blick mehrmals die Fassade. Ich sah die zahlreichen Fenster, den Außenstuck am Gemäuer und fragte mich, wer alles in diesem Haus gewohnt hatte. Von Jane wusste ich, dass es zurzeit nur eine Person war, die dieses Anwesen bewohnte.
Von irgendwelchen geheimnisvollen Verfolgern sah ich nichts mehr. Sie hielten sich zurück oder waren im Nebel aufgegangen. Ich sah eine Klingel und betätigte sie.
Es dauerte nur Sekunden, dann wurde die Tür geöffnet. Es war Jane, die vor mir stand. Wir schauten uns an, und ich sah, wie sich ein Ausdruck der Erleichterung auf ihrem Gesicht ausbreitete.
»Na, das ging ja schnell«, sagte sie und fiel mir in die Arme.
»Man tut, was man kann.«
Sie löste sich von mir. Der Ausdruck der Erleichterung verschwand aus ihrem Gesicht und wich einem anderen. Da war die Besorgnis nicht zu übersehen.
Nachdem ich die Tür geschlossen hatte, fragte ich die Detektivin: »Was ist?«
»Ein Phänomen, ein magisches, ein verrücktes. Eines, über das man den Kopf schütteln kann.«
»Es geht um die Reiter, nicht?«
»So ist es.«
»Ich habe sie gesehen.«
Jane starrte mich an. »Ja, das wusste ich.«
»Wieso?«
»Weil sie plötzlich verschwunden waren. Und später wieder auftauchten.«
»Von wo verschwunden?«
»Aus dem Bild.«
»Aha.«
»Dann waren sie bei dir«, sagte Jane.
Ich nickte. »Ich habe sie gesehen.«
»Und?«
Ich lächelte schief. »Was soll ich dazu sagen, Jane? Ich sah sie, ich stoppte vor ihnen, stieg zuerst aus, setzte mich dann aber wieder in den Rover und wartete ab, was passierte.«
»Was denn?
»Nichts!«
»Was?« Jane rollte mit den Augen.
»Ja, Jane, ja. Es passierte nichts. Man schaute nur. Man sah meinen Wagen und mich. Man ritt an mich heran, ich fuhr praktisch durch einen hindurch, und dann waren sie wieder weg.«
Jane fragte: »War es der, der sein Schwert in der Hand hielt?«
»Genau er.«
»Ja, ja«, murmelte die Detektivin, »das ist er. Das ist der Anführer, mehr kann ich auch nicht sagen.«
»Aber du kennst ihn?«
»Klar.«
»Und die anderen Reiter auch?«
»Sicher. Und dazu gehört noch der Nebel. Du wirst es sehen. Es ist alles auf diesem Gemälde verewigt. Nur eben nicht immer. Manchmal nehmen sich die Gestalten auch die Freiheit und verlassen das Bild.«
»Dann waren sie also auch verschwunden, als sie mir erschienen sind?«
Jane nickte heftig. »Klar. Und wenn du es nicht glaubst, musst du nur kurz nachrechnen.«
»Nein, nein, das will ich gar nicht. Ist schon recht so.«
Ich schaute mich um, sah den blanken Parkettboden und über mir die Kassettendecke.
»Sieht schon imposant aus, oder?«, sagte Jane. »Wenn man bedenkt, dass nur eine Person hier wohnt …«
»Nur eine?«
»Ja. Dieser Marian Drake. Ob er noch einen Adelstitel hat, weiß ich nicht. Aber so ganz allein ist er nicht. Er hat auch Personal, das allerdings auswärts schläft.«
»Okay.«
»Und jetzt wartet er auf uns in seinem Arbeitszimmer.«
»Super.«
Ich war gespannt auf den Mann, der es vorgezogen hatte, in einer relativen Einsamkeit zu leben. Normal konnte der für mich nicht sein. Irgendwie schien er sich mit dem Dasein eines Eremiten abgefunden zu haben. Er war für mich schon jetzt ein komischer Kauz, obwohl ich mich bemühte, Menschen ohne Vorurteile zu begegnen.
Wir betraten einen kleinen Flur, dessen Wände mit Bildern voll gehängt worden waren, und erreichten dann das Arbeitszimmer, von dem die Tür offen stand.
Der Raum war nicht eben klein. Es gab zwei Sitzecken, den Schreibtisch mit dem Computer, eine moderne Telefonanlage, an den Wänden Regale, die mit Büchern und Akten vollgestopft waren, wobei mir die Akten irgendwie am verkehrten Platz vorkamen.
Es gab auch den Besitzer.
Und der saß in einem der prächtigen, alten wuchtigen Ledersessel in der Nähe einer offen stehenden Bar. Er hielt ein Glas in der Hand, das mit einer hellbraunen Flüssigkeit gefüllt war. Mit Kennerblick erkannte ich, dass es sich um Whisky mit Soda
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