1826 - Das Nebelheer
handelte.
Er saß so, dass er zur Tür schauen konnte, und deshalb hatte er uns auch gesehen.
Ich konzentrierte mich auf ihn.
Es gibt Menschen, denen ist man beim ersten Kennenlernen zugetan. Das war bei diesem Mann nicht der Fall. Er war der Typ arroganter reicher Schnösel. Er konnte nicht besonders alt sein, aber er sah verlebt aus. Das galt auch für seine gelbliche Haut. Die Mundwinkel waren nach unten gezogen, die Augen hatten einen irgendwie trüben Blick, und als er mich sah, stellte er Jane eine Frage.
»Ist das Ihr Helfer?«
»Ja.«
Er lachte und bewegte sich so, dass sein Whisky fast aus dem Glas schwappte.
»Was haben Sie?«
»Nichts für ungut, Frau Detektivin, aber wie ein Held sieht er nicht eben aus.«
Das war auf mich gemünzt. Ich reagierte eher gelassen und sagte: »Sorry, dass ich Ihnen keinen Supermann bieten kann.«
»Schwamm drüber. Aber Sie sind gekommen, um die Reiter zu fangen oder unschädlich zu machen. Stimmt’s?«
»Ich werde es versuchen.«
»Dann tun Sie es.« Er winkte mit einer leichten Torkelbewegung ab.
Ich wandte mich an Jane, denn irgendwie kam ich mir leicht verarscht vor.
»Was ist das denn für ein Vogel?«
»Ein arroganter Typ, der versucht, seine Angst mit Alkohol und Arroganz zu überdecken.«
»Also ein armes Schwein.«
»Du sagst es, John.«
»Und was ist mit dem Bild?« Ich fragte das nicht grundlos, denn ich hatte es noch nicht zu Gesicht bekommen.
»Es hängt hier.«
»Was?«
»Du musst dich umdrehen.«
Das tat ich natürlich, und sofort war mein Blick auf das Bild frei. Ich zuckte leicht zusammen, denn was ich da zu sehen bekam, was schon erstaunlich.
Ich sah den Nebel, ich sah die Reiter, zählte insgesamt sieben, wobei einer den Anführer spielte und vor den anderen stand und sein Schwert gezückt hatte.
Genau in dieser Haltung hatte er auch vor meinem Auto gestanden und mir nichts getan.
Jane hatte sich neben mich gestellt. Sie sah zu, wie ich das Bild musterte.
»Und?«, fragte sie.
»Ja, so sahen sie aus.«
»Sie sind identisch.« Jane schüttelte den Kopf. »Sie können das Bild verlassen, wann immer sie wollen.«
»Das glaube ich inzwischen auch. Weiß man, wer das Bild gemalt hat?«
»Nein, ich weiß es nicht, Drake auch nicht. Es ist auch nicht signiert. Da haben wir schon nachgeschaut. Aber der Maler muss ein besonderer Mensch gewesen sein.«
»Was meinst du damit?«
»Ich frage mich nämlich, ob er Kontakt mit anderen Welten oder Sphären gehabt hat?«
»Kann sein.«
»Dann kann er auch das gemalt haben, was er gesehen hat.«
»Bingo.«
»Und wo hat er das gesehen?«
Ich lächelte. »Möglicherweise in einer Welt, in der auch der Nebel zu Hause ist.«
»Und wo ist die?«
Ich hob meine Schultern an. »Keine Ahnung. Eine Geisterwelt, eine Totenwelt, wie auch immer. Aber wenn ich mir die Gestalten so anschaue, dann sind sie eher schattenhaft.«
»Wie meinst du?«
»Körperlos.«
»Und weiter?«
»Könnten es nicht Schatten sein?«
Jane Collins schwieg für eine Weile. »Schatten«, murmelte sie dann, »Schatten von wem?«
»Ich weiß es nicht.«
»Vielleicht von Menschen«, meinte sie.
Nicht schlecht, dachte ich. »Und wie kommst du darauf?«
»Keine Ahnung. Ich habe mal eine Geschichte gelesen, da hat jemand seinen Schatten an den Teufel verkauft. Könnte das nicht hier ebenso gewesen sein?«
»Nichts ist unmöglich.«
»Dann müssen wir es herausfinden.«
»Ja, und das ist nicht leicht.« Ich ließ meinen Blick wieder über das Bild gleiten. Es sah völlig normal aus. Sieben Reiter, etwas Nebel und ein dunkelblauer Himmel, auf dem einige Sterne funkelten. Keine große Kunst.
Ich bemerkte, dass Jane mich von der Seite her anschaute.
»Was ist los?«, fragte ich.
»Ich wundere mich.«
»Über mich?«
»Ja. Du bist so inaktiv. Du schaust dir das Bild an und sagst dazu kein Wort.«
»Doch, ich habe was getan.«
»Ja, aber so richtig aktiv bist du nicht gewesen. Du hast das Gemälde nicht mal angefasst.«
»Stimmt.«
»Hast du Angst davor?«
»Unsinn. Ich habe nur nachgedacht. Aber damit du zufrieden bist, werde ich es anfassen. Ach ja, hast du es denn getan?«
»Ja, habe ich.«
»Und?«
»Ich habe mir die Finger daran verbrannt, und als ich es mit Drake zusammen von der Wand genommen habe, wurde uns so heiß, dass wir es umgehend wieder aufgehängt haben.«
Ich musste nicht weit gehen, um nahe an das Gemälde heranzukommen. Zumindest so nahe, dass ich es berühren konnte, wenn ich die Hand
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