1832 - Der City-Dämon
abwägen. Er musste schnell sein, schneller als die Schlangen, und das war für ihn nicht einfach. Das Messer lag noch da.
Auf dem Boden lauerten die Schlangen. Keine bewegte sich mehr. Sie alle schienen sich auf den Mann zu konzentrieren und darauf zu warten, was er unternahm.
Und er tat etwas.
Er hatte sich entschieden. Noch ein winziges Stück rückte er nach rechts, dann griff er zu. Und er bekam das Messer auch gleich beim ersten Mal zu fassen. Er hob es an und hielt es für einen Moment wie eine Siegestrophäe in der Hand.
Und dann legte er los.
Er hatte sich einen Plan zurechtgelegt, doch den konnte er jetzt vergessen. Er wollte weg, und das setzte er in die Tat um. Er schrie, er fluchte – und er rannte. Er schwang sein Messer, huschte an den ersten Schlangen vorbei, sah eine weitere auf sich zu schießen und hatte Glück, dass er auf sie treten konnte. Dann war er an der Tür.
Er riss sie auf.
Er schrie und fluchte erneut und sah den Umriss eines Mannes, den er fast mit seinem Messer erwischte.
Er hatte es geschafft, er war frei, rutschte aus und prallte gegen die Wand im Flur, an der er entlang rutschte und liegen blieb.
Es gab keine Schlangen mehr. Als ihm dieser Gedanke kam, fing er an, gellend zu lachen. Und sein Lachen hörte erst auf, als ihm jemand auf die Schulter klopfte …
***
Manchmal hat man Glück im Leben. So erging es mir an diesem Tag, denn ich hörte noch das Fluchen und Schreien, dann wurde die Tür der Wohnung aufgerissen und ein Mann stürmte über die Schwelle.
Ich wollte ihn aufhalten und sah im letzten Moment das Messer. So konnte ich meinen Oberkörper noch zur Seite drehen, als der Hausmeister an mir vorbei taumelte. Was ihn dazu gebracht hatte, so aus seiner Wohnung zu stürmen, wusste ich nicht, jedenfalls hatte sich die Glücksfee auf meine Seite gestellt.
Ich drehte mich um, weil ich zuvor in meinem Rücken etwas gehört hatte. Ein Geräusch, das mir nicht gefallen konnte. Jetzt sah ich, was passiert war.
Phil Grady hatte seinen Lauf nicht mehr rechtzeitig stoppen können. Er war gegen die Wand geprallt, und die war nun mal härter als er. Jetzt lag er am Boden und stöhnte vor sich hin.
Ich klopfte ihm auf die Schulter. Er hatte mich noch nicht gesehen, doch nun drehte er seinen Kopf und schaute mich an.
»Sie?«
»Ja.«
So etwas wie Erleichterung überkam ihn. »Das ist gut, Mister Sinclair, dass Sie wieder bei mir sind. Jetzt fühle ich mich wohler.«
»Das kann ich mir vorstellen. Aber bitte, was ist denn passiert?«
»Das kann ich Ihnen sagen. Man hat mich verfolgt.«
»Wer?«
»Schlangen.« Er streckte mir eine Hand entgegen, damit ich half, ihn auf die Beine zu ziehen.
Seine Antwort hatte ich schon verstanden, und für einen Moment war Unglaube in meinem Blick.
»Schlangen?«, flüsterte ich.
»Ja.«
»Und wo?«
»In meiner Wohnung. Oder besser gesagt, in meiner Küche. Da tauchten sie plötzlich auf.«
Ich glaubte mich verhört zu haben.
»Wie ist das möglich? Haben Sie ein Terrarium, aus dem sie sich befreit haben?«
»Nein, Mister Sinclair, es waren schwarze Schlangen, und die habe ich schon mal gesehen.«
»Wo denn?«
»Bei ihm. Bei dem Dämon, verflucht.«
»Moment. Bei dem in der Wand?«
»Ja.« Er schnaufte und holte noch mal Luft. »Ja, ich hatte sie gesehen, wie sie sich um seine Arme und auch den Hals ringelten. Und jetzt waren sie in meiner Küche.«
Ich war froh, dass uns niemand gehört hatte. Wir waren allein auf weiter Flur. Ich empfahl ihm, auf dem Flur zu bleiben, weil ich selbst nachschauen wollte.
Bevor ich die Wohnung betrat, zog ich meine Waffe. Mit der Beretta in der Rechten ging ich über die Schwelle. Da war der Miniflur, da stand aber auch die Tür zur Küche offen.
Es war nichts von den Schlangen zu sehen. Da gab es weder schwarze noch grüne oder rote Schlangen. Ich sah nur einen leeren Fußboden, und auch auf dem Tisch oder der kleinen Küchenzeile lag keines dieser Tiere. Ich beließ es dabei nicht, denn es gab noch andere Zimmer, in die ich hineinschaute. Auch in dem winzigen Bad hielt sich keine Schlange auf, die Wohnung war okay.
Dass sich irgendwelche Schlangen versteckt hielten, daran glaubte ich nicht, das sagte mir auch mein Gefühl, und so ging ich wieder zur Wohnungstür, lehnte mich dort an und schüttelte den Kopf, als ich Gradys fragenden Blick sah.
»Alle weg?«
»Ja.«
Phil Grady fing plötzlich an zu lachen. Dabei schüttelte er den Kopf, als könnte er das alles nicht fassen, und auch
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