1832 - Der City-Dämon
nicht? Man war scharf darauf, ein hohes Haus zu bauen, und das hat man getan. Nicht so hoch wie in den Staaten, aber damals muss es eine Wohltat gewesen sein, in diesem Haus zu wohnen. Verglichen mit den anderen Buden.«
»Das kann ich mir denken.«
»Aber warum fragen Sie danach?«
Ich lächelte breit. »Weil ich einen Grund dafür suche, was passiert ist. Einen Grund dafür, dass sich jemand oder dass sich etwas in dieses Haus eingenistet hat und es auf eine so grausame Weise malträtieren konnte.«
»Sie meinen damit das Böse – oder?«
»Ja, das trifft zu.«
»Da habe ich keine Ahnung, Mister Sinclair. Ich bin doch nur der Hausmeister und kein Historiker.«
»Ja, das kann ich verstehen. Aber etwas muss es hier geben, denn nichts geschieht ohne Grund. Wissen Sie denn, wer es gebaut hat?«
»Das weiß ich zufällig. Ein gewisser Igor Santuchin. Ein sehr reicher Russe. Sie hat es schon zu den damaligen Zeiten gegeben.«
»Aha«, sagte ich. »Wissen Sie denn mehr über diesen Mann?«
»Kaum. Ich habe mal in einem Buch gelesen, dass er aus seinem Land fliehen musste.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Er scheint sich nicht so gut benommen zu haben.« Grady kicherte.
Ich blieb ernst und sagte nur: »Das kann sein. Es ist auch möglich, dass er mit finsteren Mächten in Berührung gekommen ist. Wo hat man ihn denn begraben?«
»Nebenan auf dem Friedhof.«
»Aber der ist doch jüdisch.«
»Ja. Ob er Jude war, weiß ich nicht. Ich habe nur gehört, dass er dort begraben sein soll.«
»Wissen Sie denn, wo sich das Grab genau befindet?«
Der Hausmeister verzog die Lippen. »Leider nein, Mister Sinclair, aber ich kann ihnen einen Tipp geben. Ich würde am Anfang des Friedhofs suchen. Also nach dem Eingang.«
»Warum?«
»Weil das der älteste Teil des Friedhofs ist.«
»Das ist eine gute Idee.« Einen kleinen Fortschritt sah ich. Wie ich diesen Igor Santuchin wirklich einzuschätzen hatte, das wusste ich leider nicht. Phil Grady konnte mir nichts über ihn sagen, und so erging es sicherlich auch den anderen Hausbewohnern. Aber vielleicht fand ich im Internet etwas.
Ich wandte mich wieder an den Hausmeister, der mich von der Seite her beobachtete.
»Haben Sie einen Computer?«
»Ja, einen Laptop.«
»Super. Kann ich ihn mal benutzen?«
»Gern. Kommen Sie.«
Wir gingen in sein kombiniertes Wohn- und Schlafzimmer, in dem auch der Laptop stand.
Grady überließ mir das Gerät, ich schaltete es ein, und es war kein Problem, ins Internet zu gehen. Jetzt hoffte ich nur, dass mir der Computer etwas über diesen Menschen mitteilen konnte. Den Namen Santuchin hatte ich zuvor nie gehört, und nun schaute ich gespannt auf den Schirm. Auch Phil Grady ließ ihn nicht aus den Augen.
Er war längst tot, aber es gab kaum etwas, das man im Netz nicht fand.
So auch den Namen Santuchin. Es gab ihn nur einmal, und mir war klar, dass er es sein musste. Zumal auch der Vorname zutraf.
»Da haben wir es.«
»Ja.« Grady nickte.
Ein Bild dieses Mannes gab es nicht. Er hatte noch zur Zarenzeit gelebt, also zu dem Zeitpunkt, in dem auch ein gewisser Rasputin seine Spuren hinterlassen hatte.
Santuchin aber war einen anderen Weg gegangen. Er hatte nach England fliehen müssen, weil ihm in seiner Heimat der Boden zu heiß geworden war.
Es stand nicht genau beschrieben, was ihn aus der Heimat vertrieben hatte, aber hier in London hatte er einen dämonischen Zirkel gegründet und sich somit den Strömungen angepasst, die zu der Zeit herrschten.
»Das ist ein Ding«, flüsterte mein Mitleser.
Ich scrollte weiter. Viel Text gab es nicht mehr zu lesen. Wir erfuhren, dass dieser Mensch auch hier seine Anhänger gefunden hatte. Sie waren Leute, die sich für Dämonen interessierten und die Blicke in andere Welten werfen wollten. In dem Haus, in dem wir uns befanden, hatte Igor Santuchin gelebt. Zusammen mit Menschen, die zu seinen Getreuen gehört hatten.
»Und dann ist er hier gestorben«, sagte der Hausmeister.
»Richtig.«
Grady lachte. »Aber was hat er hinterlassen?«
»Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass es nicht ungefährlich ist.«
»Das auf keinen Fall.« Grady deutete auf den Bildschirm. »Aber er ist doch tot.«
»Klar. Nur muss ich Ihnen sagen, dass tot nicht immer gleich tot ist.«
»Ach …«
»Ich habe schon erlebt, dass sie wiederkamen.«
»Sprechen Sie von Zombies?«, flüsterte Phil Grady.
»Ja, leider.«
Der Hausmeister wurde blass. Dann musste er schlucken und fragte mit leiser Stimme: »Müssen wir
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