1832 - Der City-Dämon
jetzt damit rechnen, dass er wiederkommt?«
»Er kann schon da sein.«
Grady lachte krächzend. »Sie meinen diesen Teufelskopf?«
»Genau den.«
»Aber der sieht nicht aus wie ein Mensch.«
»Das trifft schon zu. Aber man kann sich auch verändern, wenn man sich in anderen Dimensionen aufhält.«
»Wenn Sie das sagen.«
Ich lehnte mich zurück. »Ich suche nach einer Erklärung, das ist alles.«
»Klar. Aber was will er? Wenn das alles so stimmt, warum ist er zurückgekommen?«
»Das kann ich auch nicht sagen, doch ich denke, dass wir noch einige Überraschungen erleben werden.«
Grady winkte ab. »Hoffentlich nicht. Aber darf ich fragen, was Sie jetzt vorhaben?«
Ich stand auf. »Dürfen Sie. Der Drang, sein Grab zu besuchen, steckt noch immer in mir.«
»Dann tun Sie es doch.«
»Aber ich lasse Sie im Haus ungern allein.«
Grady winkte ab. »Ich denke nicht, dass jetzt noch viel passieren wird. Außerdem sind Sie ja keine Stunden weg.«
»Da haben Sie recht.« Ich drehte mich ihm noch mal zu. »Bitte, bleiben Sie hier. Mein Freund und Kollege Suko wird bald hier eintreffen. Da ist es gut, wenn ihn jemand begrüßt.«
»Das meine ich auch.«
Ich hoffte, dass ich mich richtig entschieden hatte, und verließ Sekunden später das Haus.
***
Ich hatte wirklich nicht weit zu gehen, um den jüdischen Friedhof zu erreichen. Wer in die Synagoge wollte, der konnte einen breiten Weg benutzen, der durch die parkähnliche Anlage führte. Dort, wo ich hinwollte, sah es anders aus. Man konnte durchaus von einem alten Teil des Friedhofs sprechen, denn es gab keine gepflegten Gräber, nur Buschwerk, das die wenigen nicht jüdischen Grabstätten verdeckte.
Ich bahnte mir den Weg und schaffte es recht schnell, vor den Gräbern zu stehen. Es war so etwas wie eine Enklave innerhalb des anderen Friedhofs. Die Grabsteine waren alt, und es fiel mir schwer, den Text auf ihnen zu lesen.
Fünf zählte ich.
Wer hier begraben lag, hatte in seinem Leben etwas geleistet. Zu den Namen gab es Erklärungen über die Leute, und ein Grab lag ein wenig abseits.
Davor blieb ich stehen. Auch hier war die Schrift schlecht zu lesen. Ich kratzte sie frei und konnte zufrieden sein, denn der Name des hier Begrabenen war halbwegs zu lesen.
Igor Santuchin.
Das also war er!
Ein schwacher Schauer rieselte über meinen Rücken, als ich daran dachte, wie er mir beschrieben worden war. Mit einem solchen Aussehen war er hier sicherlich nicht begraben worden.
Das Grab war überwachsen, es sah auch nicht so aus, als hätte sich jemand daran zu schaffen gemacht. Es war nie der Versuch gemacht worden, das Grab zu öffnen.
Ich umging es.
An der Rückseite des hohen Grabsteins lagen einige Blumen, die verwelkt waren. In meiner Nähe wuchsen hohe Laubbäume, deren dichte Kronen die Gegend düster machten. Es war hier auch kühler geworden, und beides passte irgendwie zusammen.
Hatte es sich gelohnt, dem Grab einen Besuch abzustatten? Bisher war nichts passiert. Ich hoffte, dass es weiterhin so blieb. Aber das waren fromme Wünsche.
Wer war dieser Santuchin gewesen? Einer, der sich damals mit Rasputin auf eine Stufe hatte stellen wollen und letztendlich doch nicht so gut gewesen war, weshalb er auch hatte fliehen müssen?
Das war alles möglich, da konnte ich nur raten, aber Antworten würde ich hier auch nicht bekommen.
Ich konnte wieder gehen. Dazu musste ich mich umdrehen, was alles ganz normal war. Aber in der Bewegung traf mich ein kalter Hauch wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
Es war ein Eishauch, der mich da erwischt hatte. Er war über mein Gesicht gestrichen, und ich zuckte zusammen. Für mich war dieser Hauch nicht natürlich. Er war kein normaler Wind, dieser Gruß konnte auch aus der Tiefe des Grabes gekommen sein.
Es war nichts zu sehen, auch nichts zu hören, aber die andere Seite lauerte in der Nähe.
Doch wo?
Ich wechselte meinen Standort. Diesmal stellte ich mich auf die Grabmitte, die ich als so etwas wie ein Zentrum ansah.
Noch tat sich nichts. Auch unter meinen Füßen nicht, denn ich rechnete mit einem Vibrieren der Oberfläche. Aber alles blieb normal.
Ich wartete trotzdem. Und es war gut, dass ich mich dafür entschieden hatte. Denn plötzlich vibrierte nicht nur das Grab, auch außerhalb waren Bewegungen zu erkennen.
Schatten!
Sie tanzten über den Boden, sie kamen auf mich zu, und ich spürte, dass sich mein Kreuz vor meiner Brust erwärmte. Es baute wohl einen Abwehrschirm auf.
Ich hielt mich in meiner
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