1833 - Das Killer-Buch
Dann konzentrierte er sich, und er hatte das Gefühl, aus einer anderen Welt in die Realität zurückzukehren.
»He, Boulain, bist du da?«
Pierre fiel ein Stein vom Herzen. »Ja, ich bin hier!«
»Gut. Aber warum versteckst du dich?« Coppa lachte. »Hast du Angst gehabt?«
»Quatsch. Ich habe es mir nur etwas bequemer gemacht, weil ich einen Blick in das Buch werfen wollte.«
»Dann komm doch hoch.«
»Ja, ja, okay, ich wollte nur nicht, dass man mich von draußen sieht, wenn ich Licht mache.«
»Da draußen ist alles okay. Das hatte ich schon unter Kontrolle. Stell dich ruhig hin.«
Er tat es. Als er endlich stand, musste er schwer atmen. Das Buch legte er neben die Kasse.
»Das ist es!«
»Ja, das sehe ich.« Coppa grinste. »Und was ist mit dir los?«
»Wieso? Was denn?«
»Das frage ich dich. Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
»Ich bin nur etwas mitgenommen.«
»Warum?«
»Verdammt, ein Traum ist für mich in Erfüllung gegangen. Ich habe das Buch, nach dem so viele gesucht haben.«
»Und wer hat es dir dort hingelegt?« Coppa grinste breit.
»Bist du das gewesen?«
»Unter anderem, mein Lieber. Ich habe mit dem Besitzer gesprochen. Er hat sich überreden lassen und das Buch für dich bereitgelegt. Du hättest dir diese Umstände gar nicht zu machen brauchen. Du hättest es dir in ein paar Stunden abholen können.«
»Ja, das weiß ich. Aber das wollte ich nicht.«
»Und warum nicht?«
»Man hätte mich – ach, lassen wir das. Wichtig ist, dass ich das Buch jetzt besitze und kein anderer.«
»Was ist denn daran so wichtig?«
Boulains Augen bekamen einen bestimmten Glanz. »Wer dieses Buch besitzt, der kann von einem großen Wissen partizipieren, das gebe ich dir schriftlich.«
»Nein, nein, musst du nicht. Aber kannst du mir sagen, wer das Buch geschrieben hat?«
»Nein, das kann ich nicht.«
»Wieso nicht?«
»Weil es …« Boulain winkte ab. »Weil es keinen eigentlichen Autor gibt.«
»Wieso das denn?«
»Man redet, man sagt viel.« Er hob die Schultern. »Aber einen Namen habe ich öfter gehört.«
»So? Welchen denn?«
»Der Teufel.«
Plötzlich war es still zwischen ihnen. Der Teufel war jemand, dessen Namen man zwar oft genug aussprach, aber mehr in Verbindung mit irgendwelchen Redensarten. Diesmal allerdings war er bewusst genannt worden.
Coppa hatte ein Problem damit. »Hast du wirklich den Teufel erwähnt, Boulain?«
»Du hast dich nicht verhört.«
»Und – ähm – wie kommst du darauf?«
»Man spricht davon.«
»Und das weißt du genau?«
»So ist es.«
Coppa blies die Luft aus. Er zog dann die Nase hoch. Er musste erst damit fertig werden, dass dieser Mensch so etwas erzählte, an das er auch wirklich glaubte.
Er sagte nichts. Starrte das Buch an, und Boulain hielt es hoch. »Willst du mal hineinschauen?«
»Wenn ich darf.«
»Bitte.« Pierre reichte ihm das Buch und murmelte dabei einen Spruch, den Coppa nicht verstand. Deshalb fragte er nach.
»Was hast du da gesagt?«
»Erst lesen, dann sterben.«
Coppa lachte. »Was soll denn der Quatsch?«
»Das ist kein Quatsch.«
»Wieso? Glaubst du daran?«
Boulain nickte. »Ja, daran glaube ich. Jeder, der unwürdig ist, bekommt dies zu spüren.«
»Und du bist würdig?«
»Das denke ich.«
Coppa grinste breit. »Und was ist mit mir?«
»Ich habe keine Ahnung. Aber wenn dich die Wahrheit interessiert, kannst du ja mal einen Test machen.«
Coppa überlegte kurz. »Wie soll der denn aussehen?«
»Schau einfach rein in das Buch.« Pierre deutete mit dem Finger auf sein Fundstück.
»Ich würde also sterben, wenn ich unwürdig bin, in dem Buch zu lesen?«
»Ich denke, dass man das so sehen muss.«
Coppa überlegte. Auf der einen Seite reizte es ihn, in diesem Buch nachzuschauen, auf der anderen war schon Furcht in ihm aufgestiegen.
»Was ist denn?«
»Ich denke noch nach.«
»Gut, aber nicht mehr so lange. Ich will hier nämlich weg. Die Luft ist schlecht. Außerdem habe ich Durst, und der muss gelöscht werden.«
»Das verstehe ich.« Coppa nickte. Seine Lippen zuckten, Licht gab es nicht mehr, denn die Lampen waren gelöscht worden. Von draußen fiel auch keine Helligkeit durch das Fenster, nur ein schwaches Grau mit einem verblassenden Schein von irgendeiner entfernten Straßenlaterne.
»Willst du nun oder nicht?«, fauchte Boulain.
»Keine Sorge, ich will.«
»Dann los!«
Und Coppa griff endlich zu …
***
Er hatte ja lange gezögert, nun aber spürte er das Buch
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