1833 - Das Killer-Buch
zwischen seinen Fingern, das heißt den lederweichen Umschlag, der jede Sperrigkeit vermissen ließ.
War er zufrieden?
Er lauschte in sich hinein. Und er musste ehrlich zugeben, dass er nichts Besonderes verspürte. Es war ein Buch wie unzählige andere auch.
Oder doch nicht?
Plötzlich war sein Mund trocken geworden. Er hatte das Gefühl, etwas trinken zu müssen, was vorhin auch noch nicht vorhanden war. Das war schon komisch.
»Und? Wie fühlst du dich?«, fragte Pierre.
»Nicht besonders gut.«
»Wieso? Woran kann das liegen?«
»Das weiß ich nicht.«
»Am Buch, wie?«, sagte Boulain lachend.
Coppa lachte nicht mit. Sein Blick wurde ungewöhnlich starr, als er sich auf das Buch konzentrierte. Er sah aus wie jemand, der nicht wusste, was er tun sollte, und erst noch nachdenken musste. Schließlich hatte er einen Entschluss gefasst.
Er legte das Buch auf den Tisch.
»Und jetzt?«, fragte Boulain.
»Es ist schon gut.«
Damit war der andere nicht einverstanden. »Was heißt hier gut?«
»Ich will nicht mehr reinschauen.«
Da lachte Boulain kratzig. »Was ist denn los? Du hast mich hergeführt. Und jetzt kneifst du?«
»Das ist kein Kneifen.«
»Was denn?«
Coppa winkte ab. »Ich interessiere mich nicht dafür. Das Buch ist deine Sache.« Er zuckte mit den Schultern.
»Aber du hast mir den Weg gezeigt.«
»Das weiß ich. Jetzt hast du es, und damit lass es gut sein. Ich habe meinen Job getan.«
»Im Prinzip schon«, sagte Boulain. »Ich würde mir nur wünschen, dass du mir einen Gefallen tust.«
»Und welchen?«
»Du kannst das Buch aufschlagen und mal einen Blick hineinwerfen.«
»Warum?
»Tu es einfach.«
Coppa schaute sein Gegenüber an. Der zeigte mit keiner Regung, was er dachte. Er wartete nur ab, um zu sehen, ob Coppa seinem Wunsch nachkam.
Coppa zögerte noch. Durch seinen Kopf wirbelten die Gedanken. Er stellte sich Fragen, auf die er keine Antwort finden konnte. Warum sollte er das tun? Was bezweckte Boulain damit?
»Ich will eigentlich nicht.«
»Tu es trotzdem. Es ist so etwas wie eine Belohnung für dich. Nur durch dich stehe ich hier, wo ich jetzt stehe. Tu dir selbst einen Gefallen und schau hinein.«
Coppa ignorierte den harten Blick des anderen. Er nickte schließlich. »Ist gut, wenn deine Seligkeit davon abhängt, werde ich mal hineinsehen.«
»Das ist gut.«
Coppa schlug das Buch auf. Es war ihm egal, welche Seite er zu lesen bekam. Er wollte etwas tun, um Boulain zufriedenzustellen.
Welche Seiten er aufgeschlagen hatte, wusste er nicht. Es war ihm auch egal. Er schaute nicht nach einer Seitenzahl, sondern warf einen Blick auf den Text.
Text?
Im ersten Moment schnaufte er. Da gab es keinen normalen Text. Er sah viele Buchstaben, die Wörter bildeten, die aber nicht in einem Kontext standen.
Was waren sie dann? Er hob den Blick, um Boulain anzusprechen. »Bist du zufrieden?«
»Nein. Sag mir, was du da siehst.«
»Hm, das ist nicht einfach. Ich finde da keinen Zusammenhang zwischen den einzelnen Buchstaben. Sorry …«
»Lies sie!«
Die letzten beiden Worte hatten wie ein Befehl geklungen, und Coppa zuckte zusammen. Er nickte, er wollte keinen Stress. Boulain war zu einem anderen geworden. In ihm steckte eine kaum zu erklärende Aggressivität.
»Okay, ich werde sie dir vorlesen. Ich mache es und …«
Nein, dazu kam er nicht mehr, denn es passierte etwas, womit er nicht gerechnet hatte.
Das Buch zeigte seine wahre Absicht. Es war plötzlich mit etwas anderem präsent, von dem der Mann zwar alles sah, es aber nicht einsortieren konnte.
Aus dem Buch löste sich dunkler Qualm!
Das war eigentlich unmöglich, das konnte nicht sein, aber es stimmte. Der Qualm hatte sich von den Seiten gelöst und stieg in die Höhe. Es war ein dunkler Rauch von grauschwarzer Farbe. Er war dünn und durchsichtig, aber er hatte ein Ziel, denn er fächerte nur bedingt auseinander. Das meiste stieg in die Höhe und erreichte auch das Gesicht des Schauenden.
Coppa hustete. Er wollte den Kopf zur Seite drehen, aber das schaffte er nicht. Stattdessen spürte er in seinem Hals ein Kratzen, und als er Luft holen wollte, hatte er damit Probleme.
Der Rauch war da.
Die Atemnot auch – und die plötzliche Schwäche, die ihn erwischt hatte. Er spürte, dass seine Beine nachgaben. Er musste nach Luft schnappen, was ihm nicht gelang, denn es war ihm nicht mehr möglich, einzuatmen. Seine Kehle saß zu, und als er noch mal auf das aufgeschlagene Buch schaute, da sah er, dass sich der
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