Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
184 - Die Herren von Sydney

184 - Die Herren von Sydney

Titel: 184 - Die Herren von Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn und Stephanie Seidel
Vom Netzwerk:
sehnte sich nach Erlösung, es drängte ihn so verzweifelt danach, sich zu vereinigen.
    Doch die jungen Hydritinnen stießen ihn zurück. Sie wollten ihn nicht. Jedem grünhäutigen, schmalbrüstigen Fischmann waren sie zu Willen, aber ihn – den dunklen Krieger – wehrten sie ab.
    Das Klacken, das Stöhnen, die Schreie ringsum steigerten Agat’ols Sehnsucht in animalische Gier. Er langte nach dem erstbesten Paar, zog den Konkurrenten fort und glitt auf dessen Gefährtin. Sie war so schön, so heiß, so begehrenswert. Er musste sie haben.
    Die Mar’osianerin schlug ihm hart ins Gesicht.
    »Verschwinde, Krüppel!«, zischte sie, warf sich herum und tauchte ab.
    Agat’ols Verstand setzte aus. Töten! Töten! pochte es unablässig hinter der Stirn des gedemütigten Kriegers, während er die Verfolgung aufnahm. Er hetzte die Hydritin kreuz und quer durchs Riff. Was im Weg war, zahlte dafür. War es ein Fisch, zerbrach er ihn mit bloßen Händen. Mar’osianer stieß er brutal bei Seite. Agat’ol schäumte vor Zorn. Es war sein Glück, dass sich die junge Fremde nicht erwischen ließ. Er hätte sie getötet, und das wäre sein Ende als Mitglied des Mar’os-Kults gewesen. Außerhalb der Gemeinschaft aber konnte er nicht überleben.
    Irgendwann gab er auf. Frust, verletzter Stolz und Scham drückten wie Bleigewichte auf seine Seele, raubten ihm allen Antrieb. Agat’ol schwamm ans Ufer.
    Er wollte allein sein.
    ***
    Die Einheit, der Roney angehörte, bestand aus sechs Männern und drei Frauen. Jahrhunderte zuvor hatte man Kräfte wie sie »Undercover-Agenten« genannt. Heute hießen sie Pseudo-Stadtratzen.
    Die Angehörigen dieser Gruppe führten ein Doppelleben. Roney, vor seinem Absturz in den Alkohol ein Meisterschütze, war vor zehn Jahren als »jagender Zuwanderer aus dem Norden« in der Stadt aufgetaucht.
    Sein Auftrag: Politische Bewegungen zu infiltrieren und Persönlichkeiten zu beobachten, denen er zutraute, die Einheimischen zu einigen und gegen das Hohe Haus vorzugehen.
    Bisher hatte keine solche Gefahr bestanden, denn die hiesige Gesellschaft war mehrheitlich anarchisch strukturiert und sehnte sich nicht nach der starken Hand von Häuptlingen, Königen, Politikern oder Dons.
    Um sich in die Gemeinschaft zu integrieren, hatte Roney sein militärisch kurzhaariges, glatt rasiertes, ordentlich gewaschenes Äußeres aufgegeben und sich angepasst: Er verkörperte glaubhaft den langhaarigen, stoppelbärtigen, in Wildleder gekleideten Trapper, der seine Beute gern in Flüssigkeiten umsetzte.
    Heute und in den letzten drei Tagen seines Aufenthalts im Hohen Haus hatte er sich rasiert und seine Mähne zu einem Zopf zusammengebunden. Als er die Kleiderkammer seiner Einheit im Erdgeschoss hinter sich schloss, sah er wieder so aus wie der Waldmensch, den er spielte. Den Handkoffer hatte er in seinem Rucksack verstaut. Die obere Hälfte seines Gesichts tarnte ein dunkler Schlapphut; an seiner Hüfte hing ein Säbel, mit dem er, wenn es ihn nicht schüttelte, ganz gut umgehen konnte.
    Im Moment jedoch zitterte seine Hand – aber nicht nur, weil er nüchtern war: In der riesigen Erdgeschosshalle des Hohen Hauses liefen Menschen umher, eilten durch Türen in Räume, aus denen laute Stimmen an seine Ohren drangen. Andere liefen Treppen hinauf oder hinab; wieder andere hatten sich am Hauseingang versammelt, als gelte es, ihn vor einer Invasionsstreitmacht zu schützen.
    Roney riskierte einen kurzen Blick – bis Hamoudi ihn sah, der bei den nervösen Wachen am Eingang stand.
    »Da ist er!«
    Die Wachen fuhren auf dem Absatz herum, und Roney kapierte, dass die ganze Aufregung ihm galt: Archer war zu sich gekommen und hatte Alarm geschlagen.
    Roney fuhr mit einem Fluch herum, kehrte in die Kleiderkammer zurück und schloss sie ab. Um zu verhindern, dass jemand sie mit einem Schlüssel öffnete, klemmte er die Rückenlehne eines Stuhls unter die Klinke.
    Dann verschwand er durch die Hintertür in dem Treppenhaus, durch das er gekommen war. Während hinter ihm dumpfe Schläge gegen die Tür krachten, lief Roney wie der Blitz in die oberste der drei Kelleretagen und verschwand in einem Labyrinth, das er wie seine Westentasche kannte.
    Irgendwann sagte ihm ein lautes Krachen, dass Hamoudi der Kleiderkammertür offenbar mit schweren Geschützen zu Leibe rückte. Kurz darauf öffnete er im hinterletzten Winkel der Kelleretage eine Tür, die in einen langen Gang mündete. Neben dem Eingang hing eine Laterne, deren Docht er mit

Weitere Kostenlose Bücher