1840 - Schattenreich Atlantis
Flusswasser. Damit kehrte sie zu dem Liegenden zurück.
Sie wusch seine Wunden, reinigte die im Gesicht und die am Körper des Mannes. Ab und zu zuckte er zusammen, dann wiederum stöhnte er auf, und es klang manchmal wohlig.
Als die Wunden versorgt waren, sagte die Frau: »Wir werden gehen. Denn wenn sie uns entdecken, werden sie versuchen, uns beide zu töten.«
»Meinst du damit die Vögel?«
Die Frau schaute in die Höhe, wo sich aber nichts tat. »Nein, nicht nur sie. Diese Mutanten haben auch andere Möglichkeiten.«
Er nickte. »Ich weiß. Das Schattenreich ist nichts für normale Menschen. Ich hätte auch nicht herkommen sollen, aber ich musste es tun.«
Die Frau schaute Raffi von oben bis unten an. »Welchen Grund hattest du denn, hierher zu kommen?«
»Er heißt Lavinia.«
»Oh …«
»Ja, eine Frau. Sie hat es hierher gezogen. Ich habe es nicht verstanden. Ich bin ihr nach, weil ich sie zurückholen wollte, aber sie wollte hier bei den Mutanten bleiben.«
»Komisch. Ist sie denn eine Mutantin gewesen?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich kann es mir jetzt vorstellen. Ja, daran glaube ich fest.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe mich wohl stark geirrt.«
»Aber es wies nichts auf eine Mutantin hin – oder?«
»Gar nichts.«
»Dann sollte es dir eine Lehre sein. Mochte sie dich denn auch?«
»Ja, ich denke schon. Wir waren zusammen.«
»Wie lange?«
»Nicht sehr lange.«
»Ist schon gut. Dann lass uns gehen.«
Er nickte. Er war mit allem einverstanden, was seine Retterin ihm vorschlug. In seinem Zustand hatte er sowieso keine andere Wahl. Und so blieb er an ihrer Seite, als sie ihren Weg antraten. Sie gingen am Fluss entlang, und Raffi spürte immer noch die Folgen der Attacke. Seine Beine waren ebenfalls von den Schnabelhieben getroffen worden. Die Wunden schmerzten, und das machte sich auch beim Laufen bemerkbar.
Er ging trotzdem weiter. Er kämpfte sich voran. Er spürte immer wieder den Schwindel, der ihn überkam, und dann musste er sich an der Frau abstützen, deren Namen er nicht mal kannte. Er wollte auch nicht weiter danach fragen. Wenn sie ihn preisgab, war das ihre Sache, und wenn nicht, musste er es akzeptieren.
Sie erreichten das Gebiet, wo der Fluss schmaler wurde und die Ufer dicht bewachsen waren. Die Luft war hier nicht mehr so klar. Man konnte sie als stickig bezeichnen. Sie drückte. Die Feuchtigkeit schlug sich auf die Atemwege.
Raffi ging langsamer. Er schlurfte nur noch. Er konnte die Füße kaum anheben.
»Was ist los?«
»Ich – ich – bin zu schwach.«
»Sollen wir eine Pause einlegen?«
»Ja, ist vielleicht besser.«
»Gut, dann setzen wir uns.«
»Ich muss auch etwas trinken.«
»Das ist hier kein Problem. Warte, ich werde dir Wasser …« Sie sprach nicht weiter, denn sie sah, dass der Mann an Farbe verlor. Er stand auch nicht sehr gerade. Er schwankte von einer Seite zur anderen, fuchtelte mit den Armen und stöhnte.
Sie war sofort bei ihm.
Die Frau konnte ihn soeben noch abfangen, sonst wäre er zu Boden gestürzt. So fiel Raffi in ihre Arme und blieb dort liegen. Er hatte seinen Mund weit aufgerissen, er schnappte nach Luft, die er kaum noch bekam, und dann gab er einen schrecklichen Laut von sich und presste seine Hand so heftig gegen die Brust, als wollte er sein Herz herausreißen. Das schaffte er nicht, aber mit seinem Herzen hatte der Zustand schon zu tun, denn das spielte nicht mehr mit.
Er bekam noch einen kurzen, aber heftigen Schüttelfrost und brach auf der Stelle zusammen. Daran konnte auch die Stütze der Frau nichts mehr ändern.
Aber sie hielt ihn fest und ließ ihn langsam zu Boden gleiten, wo er auf dem Rücken liegen blieb.
Sie schaute ihn an.
Das eine Auge stand offen. Das zweite blutete noch nach. Sie aber schaute nur in das offene Auge. Das, was sie sah, war klar. Es gab kein Leben mehr dort.
Der Mann war tot!
Sie hatte sich umsonst um seine Rettung bemüht, und das schlug ihr auf den Magen.
Langsam erhob sie sich wieder. Die Lippen hielt sie zusammengepresst und schaute auf den Toten.
Sie bückte sich wieder und schloss sein Auge. Dann sah sie sich nach einem Begräbnisplatz um. Sie wollte den Körper nicht den Tieren überlassen. Deshalb entschied sie sich dafür, ihn mit Steinen zu bedecken. Davon gab es genug. Sie zerrte den Körper bis an den Rand des Unterholzes und ließ ihn dort liegen. Steine gab es in der Nähe. Unter ihnen war der Tote bald verschwunden.
Die Frau richtete sich wieder auf. Über
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