1846 - Lockvogel Larissa
mit der Frau zu reden. Was bisher geschehen war, entsprang bestimmt nur einem Missverständnis.
Sie war noch da, das hörte er. Und deshalb rief er auch ihren Namen. »Larissa?«
»Was willst du?«
»Mit dir reden.« Er richtete sich auf, war noch nicht halb in die Höhe gekommen, da traf ihn der Schlag an der Brust und auch am Hals. Er wurde wieder nach hinten auf das Bett geschleudert.
»So haben wir nicht gewettet«, keuchte er.
»Wie meinst du das denn?«
»Du spielst dich hier auf. Ich will gar nichts von dir. Ich will nur nach Hause gehen.«
»Nein, du bleibst.«
Larissa hatte sehr hart gesprochen, und das akzeptierte Ray Parker. Er war überhaupt erstaunt darüber, was er bisher alles akzeptiert hatte. Das wäre bei einer anderen Person nicht so gewesen. Zudem hätte er sich auch gewehrt. Das sowieso. Das stand alles fest. Und er wunderte sich darüber, dass ihn die andere Seite so hatte einfangen können. Auch mit dem Geruch nach Fäulnis und alten Leichen.
Woher stammte er?
Da gab es nur eine Erklärung. Von dieser Frau, die sich zwar einparfümiert hatte, was aber den Geruch nach alten Leichen oder nach Verwesendem nicht überdecken konnte.
Welcher Mensch konnte so riechen?
Nur einer, der schon alles hinter sich hatte, und daran musste er immer wieder denken.
Larissa nickte ihm zu. »Eigentlich bist du ein Glückspilz. Du hast viel Spaß mit mir gehabt, das wissen wir beide. Aber der ist jetzt vorbei, und ich möchte dir die nächste Frage stellen. Wie willst du sterben?«
»Eigentlich gar nicht.«
»Aber du wirst sterben.«
»Das muss jeder …« Am Klang der Stimme hatte er erkannt, dass sie auf dem Weg zu ihm war.
Tatsächlich blieb sie neben dem Bett stehen und nickte in seine Richtung. »Du wirst diese Nacht als eine besondere erleben, das kann ich dir versprechen. Ich freue mich schon darauf.«
»Aber ich bin nicht in Form.«
»Ja, das weiß ich, und deshalb habe ich das andere vorgezogen. Heute werde ich dir allein durch Zuschauen ein paar Ratschläge geben.«
»Wobei zuschauen?«
»Das weißt du doch, denn ich werde dich zu meinem Opfer machen. Du gefällst mir, du bist gut.«
»Opfer?«, flüsterte Parker.
»Ja. Hast du nicht verstanden?«
»Doch. Aber mir fehlt die Fantasie, um mir so etwas vorstellen zu können.«
»Kann ich mir denken, ich sage es mal vornehm. Ich werde dich töten und dann meinen Hunger an dir stillen …«
***
Jetzt war es heraus. Er hatte alles gehört. Er schüttelte den Kopf. Es war nicht zu fassen oder zu glauben, aber es stimmte.
Und trotzdem fragte er: »Was ist das?«
Sie kam näher auf das Bett zu. Sie schob sich förmlich heran. Er schaute in ihr Gesicht, das ihm jetzt so kalt vorkam. In diesen Augenblicken hätte er sich nicht vorstellen können, mit dieser Person etwas anzufangen.
»Was war das?«, flüsterte er.
»Ich habe nur die Wahrheit gesagt.«
»Ja, das hörte ich. Aber ich kann sie nicht akzeptieren. Das ist nicht möglich. Bist du eine Menschenfresserin? Darauf läuft es doch letztendlich hinaus.«
»Das kann man so sagen.«
»Und weiter?«
»Nichts weiter. Es ist alles gesagt worden. Pech, dass es gerade dich getroffen hat. Aber ich hatte mal wieder Hunger, und den muss ich stillen.«
»Mit Menschenfleisch?«, flüsterte er.
»Ja, damit.«
Er wollte lachen, aber das konnte er nicht. Es war ihm unmöglich. Das war zu makaber, um darüber lachen zu können. Und er musste auch an seine Schmerzen denken, die nicht verschwunden waren. Er hatte die Schläge hinnehmen müssen, und das war auch kein Spiel oder Bluff gewesen. Dagegen konnte er nichts mehr machen, das war vorbei, aber gegen das, was diese Person noch mit ihm vorhatte, konnte er sich wehren.
Ray Parker war jemand, der sich immer durchgesetzt hatte und das jetzt auch tat.
Er schnellte hoch – und genau in einen Faustschlag hinein, der ihn auf halber Strecke traf. Die Faust knallte gegen sein Kinn, und er sah plötzlich Sterne vor seinen Augen blitzen.
Eine Sekunde später fiel er zurück und landete erneut auf dem Rücken. Er hörte das Lachen. Larissa amüsierte sich über ihn. Er wusste, dass es verdammt gefährlich für ihn geworden war. Was er erlebt hatte, war ein Schock, der ihn fast bewegungsunfähig gemacht hatte. Er sagte nichts, er schaute nur ins Leere, und tief in seinem Kopf war plötzlich die Stimme zu hören.
Du musst dich wehren. Du darfst dich nicht abschlachten lassen.
Er kam wieder hoch. Nur hatte er nicht auf die Bewegung der Frau
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