1847 - Im Bann des Philosophen
Sekunde lang geschlafen zu haben.
Übermüdet saß er hinter seinem Arbeitstisch und kritzelte auf Folien herum, die längst dicht an dicht mit Kreisen aller Größen bedeckt waren, so daß kaum irgendwo Platz für weitere Kreise war.
Khan war ein fülliger, jedoch nicht dicker Mann. Das wellige, dunkelbraune Haar hing ihm in fettigen Strähnen nach vorn in die Stirn und reichte hinten bis in den Nacken herab. Schwarze Bartstoppeln bedeckten sein Kinn.
So ungepflegt hatten seine Besucher ihn noch nie zuvor gesehen.
Cistolo Khan war zwei Meter groß und schon aufgrund seiner Fülle normalerweise eine imposante Erscheinung. Doch jetzt sah er ganz und gar nicht imponierend aus, sondern bot einen eher mitleiderregenden Anblick.
Der LFT-Kommissar blickte nur kurz auf.
„Hallo!"
Er war sich dessen nicht bewußt, daß sie sich lange nicht gesehen hatten. Der Besuch schien ihn überhaupt nicht zu überraschen.
„Alles in Ordnung?" fragte Homer G. Adams, obwohl auf den ersten Blick zu erkennen war, daß davon nicht die Rede sein konnte.
Er war beherrscht und ruhig. Einen Gefühlsausbruch wie bei Claude Vernon leistete er sich nicht noch einmal.
Papiere, Folien und syntronische Speichereinheiten lagen auf dem Boden herum. Khan hatte sie offenbar von seinem Schreibtisch gewischt, als sie ihm im Wege waren. Niemand war gekommen, um sie aufzuheben.
„Was für eine Frage!" Cistolo Khan unterbrach seine Kritzeleien unwillig. „Natürlich ist alles in Ordnung."
Homer G. Adams schob vom Tisch, was noch darauf lag.
„Ach, ja? Wirklich? Dann sieh dich doch mal um!"
Khan blickte ihn kopfschüttelnd an.
„Was ist los mit dir, Homer? Spinnst du?"
„Wach endlich auf, Cistolo!" forderte der Arkonide.
„Vielleicht sollten wir ihm eine Ohrfeige versetzen", schlug Adams vor. „Sie könnte ihn aufwecken."
Cistolo Khan nahm eine der Folien vom Boden auf, setzte sich wieder an seinen Tisch und kritzelte weiter. Als Atlan ihm die Folie entriß, nahm er seinen Arbeitstisch als Zeichenvorlage und versah diesen mit Kreisen.
Der Arkonide wand ihm den Zeichenstift aus den Händen.
Wütend sprang der LFT-Kommissar auf. „Du gehst zu weit, Arkonide!" schnaubte er.
Atlan drängte ihn mit sanfter Gewalt aus dem Raum. Khan wehrte sich nur halbherzig.
„Hoffentlich erklärst du mir endlich, was das zu bedeuten hat", maulte er.
Der Arkonide schob ihn in eine Kabine, die mit einem Medosyn versehen war.
„Ich möchte, daß du dich untersuchen läßt", verlangte er.
„Dafür gibt es keinen Grund."
Homer G. Adams und die Zwillinge versperrten ihn den Weg, hinderten ihn auf diese Weise daran, die Kabine zu verlassen.
Atlan richtete seine Waffe auf Khan.
„Ich könnte dich paralysieren, damit du keine Schwierigkeiten machen kannst", drohte er, „aber ich gehe davon aus, daß du dich freiwillig untersuchen läßt."
Der LFT-Kommissar schüttelte verständnislos den Kopf. Er setzte sich und befahl dem Syntron, seine Gesundheitzu überprüfen.
Das medizinische Gerät folgte dem Befehl, setzte ihm einige Sonden an, untersuchte ihn, und schon nach wenigen Minuten kam die Diagnose.
„Es liegt keinerlei Beeinträchtigung deiner Gesundheit vor", teilte der Medosyn mit. „Es gibt keinen Grund, irgend etwas zu verändern. Die Untersuchung ist abgeschlossen."
Khan blickte den Arkoniden triumphierend an.
„Na also!" rief er. „Und jetzt geh mir endlich aus dem Weg! Ich habe zu tun."
Er schob sich an Atlan vorbei, eilte in sein Arbeitszimmer, nahm eine Folie vom Boden auf und begann damit, Kreise darauf zu kritzeln. Dabei vertiefte er sich derart in die Arbeit, daß er die Anwesenheit von Atlan, Adams und den Zwillingen nicht mehr bemerkte.
Er sah nicht, daß sie ihm folgten, achtete nicht auf das, was sie sagten, und reagierte nicht, als sie ihn allein ließen.
4.
Anata Katcoraexe verließ die SAIRA und verschwand in einem der unterirdischen Gänge, die zu den Raumhafengebäuden des ehemaligen Imperium Alpha führten.
Nirgendwo begegnete sie Menschen.
Doch an den Wänden der Gänge befanden sich Kritzeleien. Irgend jemand hatte zunächst sinnlose Zeichen an die Wände gemalt, war dann jedoch zu immer vollkommener werdenden Kreisen übergegangen.
Reinigungsroboter waren in einigen der Gänge dabei, die Schmierereien von den Wänden zu entfernen.
Als Anata in einem Antigravschacht nach oben schwebte und eine Halle betrat, wäre sie beinahe mit Menontro zusammengeprallt. Gerade noch rechtzeitig konnte sie ihm
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