1847 - Schiff der verlorenen Seelen
unbedingt etwas über den Charakter eines Menschen aus.
Eigentlich hielt ihn nichts mehr an diesem Ort. Und trotzdem schaffte er es nicht, sich abzuwenden und zu verschwinden.
Der Mann schaute auch nicht auf seine Uhr. Er vergaß praktisch die Zeit und starrte hinüber.
Er sah nicht genau, was da geschah. Er sah nur, dass die Frau etwas fallen ließ und dann aufstand. Sie bog den Rücken durch, schüttelte den Kopf mit der langen Haarmähne, sah sich auch um, aber sie konnte keinen Menschen entdecken, der ihr gefährlich werden konnte.
Auch der Beobachter war zu weit weg, und darüber war er auch froh. Diese Larissa hatte getan, was sie wollte. Jetzt gab es nichts mehr, was sie noch an diesem Ort hielt.
Er sah sie verschwinden. Plötzlich war sie nicht mehr vorhanden, als hätte sie der schwache Dunst verschluckt.
Der Mann richtete sich auf. Er hatte sich wieder etwas erholt, und er wollte unbedingt herausfinden, warum sich diese Frau so lange dort unten aufgehalten und was sie dort getan hatte.
Er lief quer über das herbstliche Gras, das an einigen Stellen recht nass und deshalb auch glitschig war. Fast wäre er ausgerutscht, aber er schaffte es, sich zu halten.
Die letzten Meter ging er langsamer. Er musste seinen Atem wieder unter Kontrolle bekommen, und er war froh, als er die Stelle erreicht hatte, an der die Frau gesessen hatte.
Vor sich sah er einen Graben, der mit Wasser gefüllt war. Es war nicht das Wasser, das ihn irritierte, sondern etwas anderes. Es war der Arm, der aus dem Graben hervorragte und so aussah, als würden sich die Finger um die Grashalme klammern.
Das war der reine Wahnsinn, denn er sah noch mehr. Es ging ihm jetzt nicht allein um den Arm, sondern darum, wie er aussah. Nicht mehr so wie ein normaler Menschenarm.
Da war die Haut aufgerissen, da war Blut aus den Wunden getreten, und es fehlten ganze Fleischstücke.
Dem Mann kam ein furchtbarer Gedanke. Er wollte ihn zunächst nicht akzeptieren, aber als er noch weiter in den Graben schaute, da wurde ihm fast schlecht. Der Magen kam ihm hoch. Es war einfach grauenhaft, denn er hatte auch ein Gesicht gesehen.
Nein, so konnte man es nicht mehr bezeichnen. Mit diesem Kopf war etwas passiert. Er war wohl gebissen worden.
Jetzt sah er die Frau wieder vor sich, wie sie hier gesessen hatte. Er hatte nicht damit rechnen können, dass so etwas Schreckliches passierte.
Er sagte nichts. Er kam nur schwer in die Höhe. Und dann war es so weit.
Er konnte nicht mehr an sich halten. Er lief einige Schritte weiter und übergab sich.
Nicht nur, dass es ihn körperlich erleichterte, auch seelisch, denn das, was er hier erlebt hatte, durfte er auf keinen Fall für sich behalten …
***
Was war für uns wichtig?
Da gab es im Moment nur eines. Wir mussten eine Spur von Larissa finden, die auch Eva Snider hieß. Es war Suko und mir egal, welchen Namen sie benutzte, wichtig war, dass wir sie stellten, denn sie war zwar eine Frau, aber dennoch eine widerliche Person. Sie war ein weiblicher Ghoul, sie war eine Dämonin, das konnte man mit gutem Gewissen sagen, und deshalb musste sie aus dem Verkehr gezogen werden.
Ihre Helfer hatten wir schon geschafft. Drei Ghouls, aber männliche. Sie hatten das Stammlokal einer Zuhältergruppe gestürmt und wussten nicht, dass sich auch zwei andere Personen dort aufhielten, die eine Spur dieser Larissa aufnehmen wollten. Sie machte sich als Ghoul einen Spaß daraus, als Hure zu arbeiten, und hatte sich sogar ein Wohnmobil angeschafft, in dem sie ihre Opfer erst umbrachte und danach das tat, wozu sie erschaffen war.
Suko und ich hatten gehofft, bei den Zuhältern Auskünfte über diese Person zu erhalten, und unser Besuch hatte trotzdem etwas gebracht. Das junge Barmädchen namens Vanessa Kent hatte uns von ihrer Mutter Lucy erzählt, die angeblich mehr über eine Larissa wusste.
Lucy Kent arbeitete in einem Lokal mit dem Namen Waterfront . Wenn sie dort nicht anzutreffen war, dann in dem Haus nebenan, wo sie eine kleine Wohnung besaß.
Und zu dieser Frau waren Suko und ich unterwegs. Die normale Hafengegend zeigte nicht die schöne Seite einer Stadt. Da ist von Romantik keine Spur zu finden. Nahe des Flusses wurde hart gearbeitet, denn jede Werft braucht Aufträge.
Kneipen gab es auch noch genügend, obwohl welche wegen der Krise vor einigen Jahren dichtgemacht hatten. Aber nicht das Lokal mit dem Namen Waterfront .
Hier arbeitete Lucy Kent, die laut Aussage ihrer Tochter schon öfter eine Larissa
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