186 - Wächter der Stille
ein Fettabdruck, und auf der Stirn des Marsianers prangte eine Beule. Es hätte bestimmt geholfen, sie medizinisch zu versorgen. Doch das ging nicht.
»Es wird bald besser werden«, sagte Quart’ol. »Glaub mir.«
»Warum sollte ich?«, fragte Vogler ungewohnt heftig. »Du hattest mir auch gesagt, es würde sich lohnen, mit dir in diese mörderische Tiefe zu tauchen. Nach Gilam’esh’gad, der geheimnisvollen Stadt der Hydree.«
Clarice wollte ihn besänftigend in die Arme nehmen. Vogler wehrte sie ab, ging an ihr vorbei zu Quart’ol und fauchte den erheblich kleineren Hydriten an: »Nichts von dem, was ich hier gesehen habe, war die Strapazen wert! Felsen, Dämmerlicht und widerliche Raubtiere – dafür hätte ich wahrlich keine elftausend Meter tief tauchen müssen!«
Quart’ol stemmte seine Flossenhände in die Seiten.
»Glaubst du etwa, mir macht das Spaß, in diesem… diesem…«, er suchte nach Worten, »… Hydrassic Park herum zu schwimmen?«
»Weiß ich nicht«, raunzte Vogler zurück. »Aber Fakt ist: Du bist hier in deinem Element! Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass du ertrinken könntest oder dass dich der Druck zerquetscht! Clarice und ich hingegen…«
»Leute«, sagte Clarice nervös. Die beiden Streithähne ignorierten sie. Es hatte sich zu viel Stress angestaut, der musste irgendwie raus.
»Hör dir mal selbst zu, Vogler! Du tust gerade so, als wäre es mir egal, was mit euch passiert!« Quart’ol wandte sich der Steuerung zu. Die Apparaturen der Aufbereitungsanlage kamen näher, da wurde eine Kurskorrektur nötig.
Vogler gab keine Ruhe, blieb ihm auf den Fersen. »Du hättest uns nie den Vorschlag machen dürfen, Gilam’esh’gad zu suchen! Es war doch klar, dass wir nicht ablehnen würden. Und jetzt zahlen wir den Preis für diese irrsinnige Idee! Wir, wohlgemerkt, nicht du!«
Clarice versuchte es erneut. »Könntet ihr mal hersehen? Da ist ein Saurier!«
Vogler winkte ungeduldig ab. »Die sind hier überall.«
»Ja, aber nicht an unserem Heck, verdammt noch mal!«, brüllte die Marsianerin.
Quart’ol und Vogler stutzten, drehten sich um. Hinter der Qualle schwebte eine riesige schwarze Wand. Sie bewegte sich abwärts; man sah es an der Oberflächenstruktur. Quart’ol wartete nicht, bis vielleicht ein Umriss erkennbar wurde. Er beschleunigte auf volle Fahrt. Ein Schwall aus Luftblasen blieb zurück, als die Transportqualle mit pumpenden Muskeln davonzog.
»Da, eine Schleuse! Dicht unter der Wasseroberfläche!«
Quart’ol wies aufgeregt nach vorn, berührte die Kontaktfelder, korrigierte den Kurs. Er hörte die Marsianer vor Entsetzen keuchen, blickte flüchtig über die Schulter. Im nächsten Moment fuhr er herum.
Ein Stück hinter der Qualle ragte ein Tier aus dem Wasser, das es eigentlich gar nicht geben durfte.
Es war ein Hybride, dessen Existenz hydreeische Forscher wohl ungewollt ermöglicht hatten, indem sie Saurier aus verschiedenen Erdzeitaltern aufeinander treffen ließen.
Prinzipiell sah er aus wie ein Aal, nur steckte er in Hornplatten statt in Fischhaut und war knapp dreißig Meter lang.
Wie ein schwarzer Turm stand er in den Wellen, ließ den Kopf pendeln und starrte auf die Transportqualle herunter. In seinem Blick lag eine unangenehme Intelligenz. Als würde er die Gefährten taxieren.
»Nicht bewegen!«, warnte der Hydrit. »Das provoziert ihn.«
Vogler zischte: »Sollen wir still halten, bis er uns frisst?«
»Nein.« Quart’ol tastete vorsichtig nach der Steuerung.
»Nur bis ich hier fertig bin.«
Plötzlich begann das Monster draußen zu würgen. Vom Bauch aufwärts krampften sich nacheinander riesige Muskelringe zusammen, beförderten den Mageninhalt zurück in den Schlund. Der Kopf kam nach vorn, der Unterkiefer sank.
Schleim trielte aufs Meer. Dann spannte sich die Bestie, holte aus und spie den entsetzten Gefährten einen halben Shonisaurus ans Heck. Der Aufprall stieß die Transportqualle aus der Bahn.
Noch während das tote Tier an der Außenwand herunter glitschte und die Marsianer vor Panik kreischten, warf sich Quart’ol herum. Es gab keinen Zweifel mehr, dass die Bestie mit Vorsatz handelte. Offenbar sah sie ihn und seine beiden Begleiter als größeren Leckerbissen als den Shonisaurus an.
Quart’ols Finger hasteten über die Kontaktfelder. Noch während sich die Transportqualle in Position drehte, lief ein Countdown an. Der Hydrit blickte hoch, eine Hand über dem rot blinkenden Feld. Er sah den Monsteraal, wie er sein
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