1862 - Aufbruch der Herreach
Störungen dulden können. Ihr könnt euch gern umsehen oder mit dem nötigen Abstand die Trance beobachten.
Ansonsten gibt es für euch nichts zu tun."
„Wir werden uns nicht lange aufhalten", versicherte Vladda. „Aber ein solches Gebet zu beobachten wäre sehr interessant. Möglicherweise können wir auch einen Blick auf die andere Seite werfen ..."
„Ich weiß nicht, ob das für euch möglich ist. Wir haben selbst lange gebraucht, bis wir das Dunkel durchdringen konnten, und das nur mit unserer Gabe. Aber da ihr keine Menschen seid, könnte es gelingen."
Presto Gos Stimme klang emotionslos, doch ihr kleines Nas-Organ zog sich leicht nach unten.
„Halten wir uns nicht auf", schloß sie, „die anderen warten bereits auf uns."
Ohne den Posbi noch eines Blickes zu würdigen, schlug sie einen schnelleren Schritt an, gefolgt von den anderen. Vladda schien diesen dezenten Hinweis zu begreifen, denn er wählte mit seinen Begleitern eine andere Richtung, mehr den Ruinen zu.
Presto Go hatte recht; obwohl es so früh am Morgen war, war bereits nahezu die ganze Versammlung da. Anscheinend hatte es sich irgendwie herumgesprochen, daß sich in der Nacht etwas Besonderes ereignet hatte. Presto Go hielt eine kurze Ansprache, die wie üblich von anderen bis an die Randbereiche der großen Runde getragen wurde, und forderte die Anwesenden auf, sich auf das Gebet zu konzentrieren.
4.
Trokan: Das erste Flimmern Caljono Yai nahm sich vor, diesmal ganz besonders aufmerksam zu sein. Wenn Adams schon jemanden schickte, wollte sie ihm unbedingt eine Botschaft mitgeben können.
Tarad Sul hielt sich in ihrer Nähe auf; sie hatte festgestellt, daß sie sich mit seiner Unterstützung besonders gut konzentrieren konnte. Seltsam, daß ihr dieser zurückhaltende ältere Mann nie zuvor aufgefallen war.
Er hatte schon einige Zeit in ihrer Nähe im Bethaus gewohnt, aber sie war stets so mit den Neuen Realisten und Presto Go beschäftigt gewesen, daß sie den Rest um sich herum ganz aus den Augen verloren hatte. Sie hatte ihn erst durch sein Schlafwandeln kennengelernt. Er hatte sie danach angefleht, ihn nicht aus der Runde auszuschließen. Sie hatte zugestimmt, aber unter der Bedingung, daß sie ihn unter ihrer Beobachtung hielt.
Nun war sie dankbar dafür. Zum einen war es zu keinem zweiten Vorfall gekommen, zum anderen bot er eine ausgezeichnete Unterstützung.
Mit ihm zu arbeiten war perfekt, und darauf würde die Mahnerin so schnell nicht wieder verzichten.
Tarad Sul schien es ebenso zu gehen, denn er wich kaum mehr von ihrer Seite, auch nach den Gebeten nicht. Er war so still und unaufdringlich, daß es sie nicht störte, und auch Presto Go schien nichts dagegen zu haben.
Bevor sie sich konzentrierte, ließ sie ihre Blicke noch einmal umherschweifen, wie sie es meist tat. Bei den Ruinen bemerkte sie hin und wieder ein in der Sonne aufflackerndes Schimmern und vermutete, daß dort die Posbis zugange waren. Diese Halbwesen waren fast noch merkwürdiger als die Fremden auf der anderen Seite. Caljono Yai spürte, wie sich ihr wieder Fragen in den Verstand drängten. Zu gerne würde sie mehr von den Posbis erfahren und von anderen Völkern, die dort draußen lebten!
Konzentrier dich!
Es verging kaum einmal ein Gebet, in dem Presto Go sie nicht ermahnen mußte. Es gab so viel zu tun, zu sehen und zu lernen.
Die Oberste Künderin hatte von einer Sucht gesprochen, von der sie inzwischen selbst befallen war. Es stimmte"es war wie eine Sucht, der Wunsch nach mehr wurde immer stärker.
Die Terraner waren längst keine ungebetenen Eindringlinge mehr, sie gehörten irgendwie dazu. Es war merkwürdig, sie so hilflos zu erleben und pflegen zu müssen. Sie erzählten von ihren Träumen und Sehnsüchten und spielten wie kleine Kinder.
Bevor sie die zweite Mahnung empfing, konzentrierte sich Caljono Yai. Sie hatte Tarad Suls Blick aufgefangen; seine geschlitzten Augen waren sehr schmal, und das Grün darin schimmerte matt wie ein moosbewachsener Felsen. Sein Nas-Organ war kräftig ausgebildet, doch an den feinen Runzeln seiner ledrigen, halbdurchscheinenden Haut erkannte sie, daß er mindestens so alt wie Presto Go sein mußte. Trotzdem wirkte er ebenso leidenschaftlich wie Vej Ikorad, und er schien sich viele Gedanken zumachen, obwohl er stets betonte, nur ein einfacher Bauer zu sein.
Mit dem nächsten Gedanken war Caljono Yai tief in der Trance versunken und befahl dem erschaffenen Riesen Schimbaa, das Tor zu öffnen.
Bald
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