1868 - Hoffnung der Tolkander
heran, beschützte sie und war der treueste Freund, den sie sich vorstellen konnte. Jeder Mann, der sich ihr unerlaubt näherte, wagte dies nur ein einziges Mal - obwohl sie sich selbst durchaus bestens zu verteidigen verstand. Es störte sie nicht, daß sie ihre Rendezvous nach außerhalb verlegen und vor Jafko weitgehend verbergen mußte; ihre Arbeit war ihr ohnehin wichtiger, und ihre Ansprüche waren reichlich hoch. „Alles zu seiner Zeit", pflegte sie zu so manchem heißblütigen jungen Mann zu sagen, der auf mehr als nur einer kurzen, wenngleich auch angenehmen Liebschaft bestehen wollte.
„Wir haben doch immer über alles reden können, nicht wahr?" fuhr sie mit sanfter Stimme fort. „Das können wir auch jetzt. Nun komm schon."
Jafko öffnete die Augen ein Stückchen weiter, beäugte sie jedoch mißtrauisch.
„Habe ich dich schon je enttäuscht? Du hast mir immer vertrauen können. Komm her, Jafko", lockte sie.
„Dann reden wir über alles."
Der mächtige Husslar, der die junge Frau ohne besondere Kraftanstrengung mit einer Tatze von oben bis unten in zwei saubere Teile zerschneiden könnte, zögerte. Er murrte leise. Dann richteten sich seine großen Ohren plötzlich steil nach vorne. Er spürte, daß sie mit ihm redete wie damals auf Sabinn und ihm die Angst nahm. Vorsichtig antwortete er ihr. Keiner von beiden stieß dabei einen Laut aus; lediglich die gelben Ohrbüschel des Husslars waren gerade aufgerichtet und zitterten. Er empfing Bré Die Psychologin, die man auf Sabinn Tiersprecherin genannt hatte, begriff, was Jafko quälte. Ihr Verhalten während des Einflusses war so absurd gewesen, daß er es nicht verstehen konnte. Es hatte ihm Angst bereitet; noch weniger konnte er jetzt begreifen, weshalb wieder alles beim alten sein konnte, als wäre nichts geschehen.
Sie nahm seine Furcht in sich auf und reflektierte sie mit dem deutlichen Hinweis, daß sie nach wie vor Freunde seien. Nach und nach nahm sie ihm die Unsicherheit und bewies ihm, daß sie immer noch dieselbe war. Jafkos Haltung entspannte sich, die goldgesprenkelten Augen öffneten sich. Dann kämpfte er sich aus dem engen Versteck heraus und trottete auf sie zu; tief schnaufend drückte er den mächtigen Schädel an ihre Brust und begann zu schnurren.
*
Während die Techniker also bemüht waren, die FARGO wieder einigermaßen fahrtüchtig zu machen, waren Clark Mahonys Team und Bré Tsinga auf Olymp unterwegs und leisteten ärztlichen Beistand.
Alle waren froh gewesen, von Goeddas Tod zu hören; jedoch blieb in Bré eine gewisse Unruhe zurück.
Sie hatte inzwischen die verheerende Macht der Philosophen am eigenen Leib zu spüren bekommen und konnte nicht so recht daran glauben, daß diese Wesen bei der Explosion umgekommen waren.
Aufgrund der umfassenden Daten, die sie über die Aktivitäten der Tolkander besaß, konnte sie sich einfach nicht vorstellen, daß Geschöpfe von dieser Macht und geradezu Vollkommenheit keinen Ausweg aus einer Gefahrensituation wissen sollten. Irgendwo mußte ein Haken zu finden sein; immerhin hatte niemand die Philosophen tot gesehen - im Gegensatz zu Goedda.
Nach Augenzeugenberichten der Herreach war die Große Mutter durch die Explosion in Millionen Teile zerfetzt worden, zusammen mit ihrem Bauwerk. Aber die Philosophen? Sie trieben lediglich auf einsamen Schollen, voneinander getrennt, in den Hyperraum davon.
Das genügte der Psychologin nicht, um sich sicher zu fühlen. Mit anderen teilte sie ihre Befürchtungen natürlich nicht; sie wollte weder als hysterisch gelten noch jene mit einer Vermutung verrückt machen, an der - hoffentlich nichts dran war. Aber sie bat die Kommandantin, so bald als möglich Kontakt mit der Einsatzgruppe von Atlan aufzunehmen, um deren Bericht zu erhalten und sich selbst den Beweis zu liefern, daß ihre Gefühle lediglich überreizt waren. Durch die Vorgänge war wahrscheinlich nur so etwas wie ein Verfolgungswahn in ihr ausgelöst worden.
Die Arbeit auf Olymp nahm sie dann so sehr in Anspruch, daß sie bald nicht mehr daran dachte.
Immerhin war sie nicht die einzige Expertin in diesem Universum. Andere waren sogar vor Ort.
Die Bewohner von Olymp erholten sich erstaunlich schnell, obwohl sie sehr viel länger unter dem Einfluß gestanden hatten als die Mannschaft der FARGO. Es gab prozentual gesehen nur sehr wenige schwerere Fälle, bei denen die Todessehnsucht stärker nachklang, und leider auch ein paar Selbstmorde psychisch Labiler, die vor dem
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