1883 - Die schiffbrÃŒchige Stadt
angrenzenden Wohnvierteln, nicht zu vergessen der Pilzdom - sie alle waren nun auf die Stabilität dieses Rades angewiesen.
Kalkutta schien sich auf einer Art Dyson-Sphäre zu befinden, ebenso wie die fremde Stadt, die sie sehen konnten.
Die Zweite Bürgermeisterin von Kalkutta liebte ihre Stadt. Das Wohl der Bewohner lag ihr mehr am Herzen als das eigene. Sonst wäre sie nicht mit Lentini und den beiden anderen durch die Barriere gegangen.
Loura Gaikunth wurde sich der Tatsache bewußt, daß das Rad jederzeit zerbrechen konnte. Tyra hatte ihnen die statischen Probleme eindrucksvoll vor Augen geführt.
Mit fliegenden Fingern suchte sie die Jackentaschen ab, doch sie war zu nervös, als daß sie die Schachtel mit den Tabletten finden konnte.
Sie starrte auf die Irrlichter am Himmel. Mit einemmal wurde ihr klar, was die Erscheinung zu bedeuten hatte.
Vorausgesetzt, dies hier war tatsächlich eine Dyson-Sphäre, dann gab es kaum natürliche Gravitation.
Jedenfalls nicht genug, so rechnete sie, um eine Atmosphäre festzuhalten. Die 0,7 Gravos, die sie spürte, waren künstlich erzeugt. Ein solches Feld verschlang viel Energie; kaum anzunehmen, daß es weiter als einige hundert Meter in die Höhe reichte. Alles, was an Atmosphäre weiter oben lag, hätte sich normalerweise innerhalb einer Stunde verflüchtigen müssen. Allerdings passierte dies nicht. Die sonderbar riechende Luft, die sie atmeten, wurde demnach künstlich gebunden.
„Ein Schutzschirm", murmelte sie nachdenklich. „Das da oben muß ein Schutzschirm sein."
„Wie bitte?" fragte Tyra Ndoram.
Loura ignorierte ihre Frage. Statt dessen drehte sie sich plötzlich zur Seite: „Lentini, kannst du den Gleiter starten?"
Der Polizist versuchte es noch einmal.
Tatsächlich kam die Maschine hoch, bewegte sich etwa fünf Meter weit, dann fiel wiederum die Steuerung aus.
„Der Syntron funktioniert nicht", stellte er lakonisch fest. „Oder immer nur für ein paar Sekunden."
„Was ist mit Funk?"
„Das Funkgerät scheint okay."
„Schalte den Empfänger ein." Loura ärgerte sich, daß sie nicht früher darauf gekommen waren. Sie hießen eben alle nicht Rhodan, sondern sie waren normale Menschen. Niemand hatte sie darauf vorbereitet, daß ihr Alltag plötzlich zu Ende war.
Lentini schaltete den Empfänger ein. Die Lautsprecherfelder blieben still.
„Schalte auf Handbetrieb", empfahl Tyra Ndoram von der Rückbank. „Die Automatik ist vermutlich mit dem Syntron gekoppelt."
Lentini stieß einen leisen Fluch aus, befolgte aber ihren Ratschlag. Kurz darauf erfüllte stakkatoartiges Rauschen den Innenraum des Gleiters.
„Tatsächlich", gab er zu, „es lag am Syntron." Er versetzte dem Kasten am Armaturenbrett, der den kleinen Computer barg, einen bösen Schlag. Dann fing er an, manuell den Sendersuchlauf zu betätigen.
„Ich habe das Hyperspektrum praktisch durch", verkündete er nach einer Weile. „Kein Signal, mit dem ich was anfangen könnte. Man muß allerdings sagen, die meisten Hyperbänder sind so schmal, die kriege ich mit Handbetrieb niemals präzise herein."
Loura fand, daß das eine schwache Erklärung war. Sie glaubte, daß es keine verwertbaren Signale gab.
„Schalte den Sender an!" befahl sie. „Irgendeine Frequenz."
Lentini legte kommentarlos einen manuell funktionierenden Schalter um. „Und jetzt?"
„Ich will ein paar Worte sagen. Schalte mir ein Akustikfeld und höchste. Sendeleistung. Damit man mich im ganzen System hören kann."
Mit wenigen Handgriffen justierte der Polizist das Feld.
Sie sprach: „Hier ist Loura Gaikunth, Zweite Bürgermeisterin von Kalkutta, Planet Erde. Ich rufe die Intelligenzen dieses Sonnensystems. Wir kommen in Frieden und wünschen Kontakt."
Fünf Minuten vergingen. Loura wiederholte ihre Botschaft noch zweimal, aber nichts passierte, genauso wie beim ersten Versuch.
Im Gleiter herrschte eine Weile Schweigen.
In die Stille sagte Nort Dimo vorsichtig: „Hört mal. Ihr wißt ja, daß ich nicht alles mitkriege. Aber da vorn ist diese Stadt mit den vielen Lichtern. Da wohnen doch Leute. Warum fragt ihr die nicht nach den ganzen Sachen?"
Loura Gaikunth sah Lentini und Tyra Ndoram betreten an.
Schließlich antwortete sie: „Aus zwei Gründen, Dimo. Erstens funktioniert unser Gleiter nicht oder immer nur kurz."
„Und zweitens?"
„Zweitens, wir trauen uns nicht."
„Glaubst du, da sind Menschenfresser?"
Dimo grinste. Ironie hätte sie ihm gar nicht zugetraut, rein vom Kopf nicht. Sie
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