1883 - Die schiffbrÃŒchige Stadt
erkennen.
Terranische Städte verfügten über ein geordnetes Straßennetz, über eine bestimmte Grunddistanz zwischen den Gebäuden. Dasselbe wußte sie von Olymp oder Gatas, von Arkon oder Sphinx, den wichtigsten Planeten der Milchstraße. Was sie hier jedoch zu Gesicht bekam, wirkte fremd. Dieselben Irrlichter wie am Himmel ließen sich auch zwischen den Gebäuden der Stadt erkennen. Einzelne Häuser oder’ Komplexe waren optisch nicht voneinander zu trennen. Alles ging anscheinend ineinander über.
Nach Louras Schätzung betrug die Breite von Stadtrand zu Stadtrand mehr als hundert Kilometer. Die Länge schien ihr etwas geringer, vielleicht siebzig oder achtzig Kilometer. Allerdings war sie sich darüber im klaren, daß der Eindruck täuschen konnte. Man durfte sich unter fremden Verhältnissen nicht auf den Augenschein verlassen.
Loura nahm an, daß sie eine Stadt der Nonggo vor sich hatte.
Sichere Anzeichen gab es dafür keine. Allerdings waren es die Nonggo gewesen, die ihnen das Heliotische Bollwerk gebracht hatten. Soweit sie wußte, hatte das erste Experiment mit den Faktorelementen bereits stattgefunden; Myles Kantor und einige Wissenschaftler waren daraufhin bei den Nonggo gelandet. Es schien Loura logisch, daß auch Kalkutta diesen Weg genommen hatte.
„Ich orte nichts als Chaos", behauptete Tyra Ndoram nach einer Weile. „Ich meine, was ich hier habe, ist nur ein kleines Handgerät. Damit reicht man nicht über mehrere Lichtjahre. Aber es sollte immerhin möglich sein, vernünftige Ergebnisse hereinzuholen ..."
Loura drehte sich auf ihrem Sitz um. Sie schaute die junge Frau von der Universität Terrania gerade an. „Was für Ergebnisse sind das?"
„Alles durcheinander."
„Zeig es mir!"
Sie steckten die Köpfe zusammen. Tyra hielt das Display so, daß es alle sehen konnten.
Das Gros der Orterimpulse verhielt sich ebenso wie die Irrlichter am Himmel, nämlich völlig ungeordnet. Loura hatte niemals eine solche Fülle von Reflexen gesehen.
Tyra schaltete das Display auf den größten möglichen Ausschnitt. Der helle Fleck in der Mitte symbolisierte die rote Sonne, die am Himmel stand. Hinzu kamen massenhaft kleine Punkte, die auf dem Display schwer zu unterscheiden waren.
Loura fiel eine Anzahl von Ballungen ins Auge. Unzählige Mikropunkte drängten sich auf engstem Raum. „Sind das Planeten?" fragte sie.
„Das ist es ja eben." Tyra Ndoram zog hilflos die Schultern hoch. „Warte, ich vergrößere eines der Objekte."
Der Bildausschnitt veränderte sich, eine der Ballungen wurde herangezoomt. Loura blickte auf eine kreisförmige Formation. Sie fühlte sich auf Anhieb an ein Riesenrad erinnert, das aus Millionen von Lichtpixeln bestand.
„Jeder Punkt steht für eine Energiequelle, von einer bestimmten Größe aufwärts. Moment, ich lasse das Ding mal rotieren."
Das Rad wurde nun aus wechselnden Perspektiven gezeigt.
„Jetzt mal Klartext, Tyra. Was ist das?"
„Ich weiß es auch noch nicht. Die Reflexdichte läßt auf einen Planeten schließen, allerdings scheint mir die Form für einen Planeten - gelinde gesagt - etwas außergewöhnlich." Sie mußte über ihre Wortwahl lachen.
„Ein Raumschiff?"
„Nicht ganz ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Das Ding hat tausend Kilometer Durchmesser.
Keine Zivilisation würde ein solches Raumschiff bauen, schon aus Gründen der Statik nicht. So ein Objekt zerbricht bei der kleinsten Beschleunigung. Es sei denn, man treibt einen Riesenaufwand mit Gravofeldern. Ökonomisch gesehen wäre das ein Riesenblödsinn."
„Wenn kein Raumschiff, was ist es dann?"
Tyra Ndoram zuckte mit den Achseln. „Ich weiß nicht, Loura. Aber das war ja auch noch nicht alles. Ich zeig’ euch jetzt mal unseren Standort."
Auf dem Display rotierte wiederum ein Riesenrad. Diesmal, so entnahm Loura Gaikunth den eingeblendeten Zahlen, betrug der Durchmesser achthundert Kilometer.
Der eigene Standort wurde durch ein blinkendes Licht angezeigt.
„Soll das heißen, wir stehen auf der Innenfläche des Rades?" fragte Loura schockiert.
„Mein Ortergerät sagt es. Leider."
In einer fremden Galaxis. Im Inneren einer Faktordampf-Barriere. Das kann alles nicht wahr sein.
Sie konnte es nur deshalb akzeptieren, weil sie wußte, der Zustand würde nicht von Dauer sein. Was sie aus dem Gleichgewicht brachte, war etwas völlig anderes: Kalkutta-Nord stand nicht mehr auf dem festen Grund eines Planeten. Das Verwaltungsviertel Uphjar, die Syntron-Fabrik Karabani mit den
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