1883 - Die schiffbrÃŒchige Stadt
hatte immer gedacht, er sei zu blöd, um ihre Scherze zu verstehen.
„Der Grund ist ein anderer. Jeden Moment könnte es sein, daß die Barriere zusammenfällt oder so ähnlich, und Kalkutta kehrt nach Hause zurück."
„Ja und?" fragte er begriffsstutzig. Das war er wieder, der alte Nort Dimo.
Loura sagte: „Angenommen, wir haben gerade jemand in die fremde Stadt geschickt ... Wer im richtigen Moment nicht in Kalkutta ist, der geht verloren. Und ich weiß nicht, ob wir ihn jemals zu uns zurückholen können."
Loura deutete mit dem Daumen hinter sich. „Lentini, wir fliegen zurück. Keine Experimente mehr."
Sie hielt es für das beste, wenn sie so selten wie möglich ihr Faktorelement verließen. Jeder Moment hier draußen war ein Spiel mit dem Zufall. Es konnte jede Sekunde soweit sein.
Loura Gaikunth wußte genau, daß man sie auf der Erde nicht vergessen hatte. Bis zum Augenblick der Rückkehr, so nahm sie sich vor, wollte sie Kalkutta-Nord so gut wie möglich auf die Lage einstellen.
7.
Blick zurück: Die unendliche Treppe Das Licht war indirekt. Aagenfelt konnte die Quelle nicht entdecken. Möglicherweise waren es die Wände selbst, die zur Abgabe von Lichtquanten angeregt wurden.
Aus der Form der Treppenstufen ließ sich keine Erkenntnis ableiten. Sie besaßen etwa dieselbe Höhe und Breite wie die Treppenstufen auf Terra. Das schien ihm nicht ungewöhnlich, weil die Nonggo sich in Größe und Statur nicht wesentlich von Menschen unterschieden.
Das Treppenhaus war viereckig angelegt. Jeweils nach einigen Metern folgte ein Schwenk nach rechts.
Es war immer wieder dasselbe. Zu Anfang zählte er noch mit, wie viele Windungen er hinter sich ließ. Zehn, fünfzehn, zwei Dutzend, bald waren es hundert.
Er folgte einfach nur der Treppe. Daß der Weg nach unten die richtige Entscheidung war, daran zweifelte er mit jeder verstrichenen Minute mehr. Seine Waden fühlte sich nach wenigen hundert Stufen taub an, später strahlten sie einen betäubenden Schmerz aus, der sich durch den gesamten Bewegungsapparat zog.
Manches Mal hatte es geheißen, Tautmo Aagenfelt sei ein wehleidiger Kerl, ein Weichling. Einer, der Strapazen nicht aushalten konnte.
Vielleicht stimmte das sogar. Aber auf dieser Treppe hätte er die Lästermäuler nicht sehen mögen.
Nach einer Zeit, die er nicht mehr in Minuten, Stunden oder Tagen angeben konnte, lag mindestens ein Kilometer hinter ihm. Die ganze Zeit hatte er weder einen Ausstieg noch einen Hinweis egal welcher Art, egal worauf gefunden.
Sein Verstand sagte ihm, daß er einfach nur geradeaus zu gehen brauchte und daß er zwangsläufig irgendwo ankam. Aber was, wenn nicht?
Noch hundert Meter, dachte er. Dann mußte er in einer Treppenecke an Entkräftung sterben.
Aagenfelt sank nur deshalb nicht zu Boden, weil es keine ebenen Flächen gab. „Verflucht, Tautmo ... so einfach läßt du dich doch nicht unterkriegen!"
Er versuchte, sich selbst Mut zu machen. Doch es hatte keinen Sinn mehr. Aagenfelt blieb stehen. Er konnte seine Beine nicht mehr bewegen. Es kostete ihn alle Willenskraft, nicht auf der Stelle umzufallen. Statt dessen lehnte er sich gegen eine Wand und knickte in den Knien ein. Mit steifem Rücken rutschte er zu Boden.
Er kam in sitzender Haltung auf. Auf diese Weise, hoffte er, konnte er nach einer kurzen Ruhepause wieder aufstehen.
Eine Viertelstunde saß er bewegungslos auf den Stufen. Dann glaubte er, in der Luft einen sachten Zug zu bemerken.
Tatsächlich. Aagenfelt hob den Kopf.
Im ersten Moment schob er den Eindruck auf einen Irrtum, auf eine Sinnestäuschung. Je länger er sich aber konzentrierte, desto realer schien ihm die Sache zu sein.
Er hoffte plötzlich, daß er in erreichbarer Nähe einen Ausgang oder eine Öffnung aufstöbern konnte.
„He!" brüllte er in den Schacht. „Kann mich jemand hören?"
Es gab keine Antwort, natürlich nicht. Aagenfelt schaffte es, noch einmal auf die Beine zu kommen. Er quälte sich Stufe um Stufe hinab, in ewig identischen Bewegungen.
Nach tausend weiteren Kilometern wie er glaubte - stand er plötzlich vor einer Tür. Er hätte es beinahe nicht begriffen, fast wäre er mit dem Kopf gegen das Metall geprallt.
Ihm wurde schwarz vor Augen. Aagenfelt hörte sich ein seufzendes Geräusch ausstoßen, und er fürchtete, vor lauter Erleichterung das Bewußtsein zu verlieren. Aber nichts passierte, er stand einfach nur vor der Tür und glotzte wie ein Schaf, das seine eigene Schurmaschine bedienen
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