189 - Die Regenbogenschlange
schüttelnd und Stacheln verschießend. Die schwarzhaarige Barbarin rollte sich herum, während überall um sie die Stacheln einschlugen, sich in den Sand bohrten oder von Felsbrocken abprallten, wobei eine grüne Flüssigkeit austrat und zischend verdampfte. Aruula stieß einen weiteren Schrei aus, als ein Spritzer sie am Arm traf und sich brennend in die Haut fraß.
»Das geht zu weit!«, fauchte sie wütend und griff nach hinten, um das Schwert aus der Rückenkralle zu ziehen, während sie eilig danach trachtete, aus dem Schussbereich zu kommen. Sie sprang hinter einen Felsen und lauschte, aus welcher Richtung das Tier angreifen würde.
Stille.
Vorsichtig lugte sie um die Ecke. Keine Spur mehr von dem Stachelbiest. Es hatte sich unglaublich schnell und völlig lautlos entfernt.
Für einen Moment war Aruula sich nicht sicher, ob sie geträumt hatte. Die dauernde Hitze, das Sonnenlicht, das die Luft zum Flirren brachte, die Einöde – das alles zermürbte irgendwann auch eine Angehörige der Wandernden Völker.
Aruula hatte sich inzwischen an die harten Entbehrungen gewöhnt, sie hatte gelernt, den ewigen Durst zu kontrollieren, und der Hunger war zu einem Nörgeln am Rande geworden.
Die Haut spannte sich über ihren Rippen, doch sie fühlte sich nicht kraftlos. Von der ausdauernden Wanderung waren ihre Sehnen gut ausgebildet und kräftig, und ihre Reflexe hatten keineswegs gelitten. Seit sie wieder allein unterwegs war, waren ihre Sinne schärfer denn je… wenn nicht zu viel Zeit zwischen einem Wasserloch und dem nächsten verging. Dann konnte es passieren, dass sie in der Mittagsstunde bizarre Schemen sah, die über die Dünen tanzten, und Stimmen hörte, die nach ihr riefen.
Doch sie war allein. Kein Echo in ihren Gedanken, kein entferntes Wispern. Der Roodtren war schon lange weit entfernt, unterwegs zu einem anderen Ziel. Immerhin hatte er sie weit gebracht: Dieses Gebirge noch, hatte Aruula erfahren, dann würde sie ihr Ziel erreichen.
Habe ich geträumt?, fragte sie sich, als sie auf den Felsen kletterte und sich umsah. Sie schien das einzige Lebewesen in dieser weiten, felsigen Hügellandschaft zu sein, die gegen Norden zu immer weiter anstieg.
Aber nein, da lagen die Stacheln unterhalb des Felsens, und die Wunde an ihrem Arm schmerzte. Sie sah aus wie eine Brandwunde, an den Rändern rot entzündet, Blasen in der Mitte.
Geh weiter.
Sie wusste nicht, ob dieses Flüstern ihr eigener Gedanke war oder etwas Fremdes, dessen Klang sie kannte. Manchmal nachts, wenn sich ihr Verstand klärte, wenn sie frei war von Hitze und Dürre, fragte sie sich, was sie hier machte. Warum es sie immer noch weiter trieb, warum sie zum brennenden Felsen musste, dem Uluru, und was sie dort erwarten mochte. War es wirklich ihre Bestimmung? Doch dann kam ein neuer Tag und mit ihm wieder die sengende Sonne, die ihren Willen lähmte, alles aus ihr zu saugen schien, ihre Gedanken mit einem flirrenden Schleier überlagerte.
Stille rundum. Nicht einmal ein leiser Windhauch verfing sich in den wenigen Büschen mit ihren mageren Blättern. Es war nicht gut, zu lange an einem Fleck zu verweilen. Aruulas tief gebräunte Haut war nicht mehr für Sonnenbrand empfänglich, dennoch kostete Verweilen Kraft, die bis zum nächsten Wasserloch reichen musste. In einigermaßen geschützten Senken fanden sich manchmal Bäume, deren faserige, fingerdicke Schlingen kostbares Nass beherbergten.
Das erste Mal, als Aruula einen Strang durchschnitten und gierig an dem herabhängenden Stumpf gesaugt hatte, war es ihr wie ein Aderlass vorgekommen, und sie hatte sich plötzlich an die Nosfera erinnert gefühlt.
Sie hatte die Mundvoll ausgespien und die Flüssigkeit auf ihre Hand rinnen lassen; doch es war nur Wasser, klar und rein.
Zu kostbar, um es wegen Hirngespinsten zu verschwenden.
Aruula sprang von dem Felsen und machte sich wieder auf den Weg. Der Boden war gut, und sie fiel automatisch in einen leichten Trab, den sie inzwischen stundenlang durchhalten konnte und der sie weite Strecken zurücklegen ließ, ohne sich dessen so recht bewusst zu werden. Sie ließ sich wie im Dämmerzustand ziehen.
Das Gelände stieg zügig an, und sie erreichte schließlich eine höher gelegene Ebene, die sich als zerfurchte Steppe vor ihr ausbreitete und in Richtung Gebirge wiederum anstieg.
Plötzlich fuhr Aruula herum. Sie hatte es schon mehrmals in den letzten Tagen gespürt, doch für die übliche Einbildung gehalten, die jeden befällt, wenn er zu
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