1890 - Shaogen-Himmelreich
Hintergedanken, daß er seine Haftbedingungen vielleicht ein wenig lockern könnte. Tatsächlich gelang es ihm, sich bei einer Pflegerin einzuschmeicheln. Sie steckte ihm einige Pfund Schokolade zu, aus purem Mitleid. Er vertilgte den Happen zwischen Mittag- und Abendessen.
Aber das war auch schon alles, was Kreyn erreichte. Ansonsten hörte er immer die gleiche Leier. „Du bist schwer verletzt", sagten sie, „und du bist fett wie ein Faß. Wir kriegen dich schon wieder hin, Poulton. Hab nur ein bißchen Geduld."
Er hatte keine Geduld, sondern er hatte Hunger. Er mußte in den Weltraum zurück. Doch das schien keinen in der Klinik zu kümmern.
Mit einer gewissen Unruhe sah er seiner Gesundung entgegen. Er nahm an, daß er von den Behörden ein weiteres Mal vernommen werden würde.
Kreyn fühlte sich nicht als Verbrecher, schon gar nicht als Mörder. Sicher war nicht alles astrein gewesen, was er getan hatte, das eine oder andere hatte klar gegen geltendes Recht verstoßen. Aber ein Verbrecher? Nein, das war er nicht. Kreyn mußte es den Quälgeistern von der LFT nur klarmachen.
Als er sich fast schon wieder richtig bewegen konnte, passierte die Katastrophe.
Er schaute Trivideo, den überaus beliebten Nachrichtensender Terrania News Report, und bekam die Sache mit den Heliotischen Bollwerken mit.
Der nördliche Teil von Kalkutta wurde demnach von einer sogenannten Faktordampf-Barriere eingeschlossen. Das eingezäunte Gebiet maß rund dreißig mal zwanzig mal zehn Kilometer.
Und dann schaltete sich Terrania News Report ohnehin ab. Einfach so. Ein lokaler Sender schaltete sich nach einiger Zeit ein und machte ihm die Ereignisse klar.
Soweit er verstanden hatte, wurde alles im Inneren der Barriere in eine fremde Galaxis transportiert.
Häuser, Menschen, Tiere, Wälder und Fabriken, Gleiterfahrzeuge, einfach alles. Es war, als habe jemand einen Teil der Erde einfach herausgeschnitten und auf einen anderen Planeten versetzt. Deshalb auch keine Trivid mehr; Terrania News Report sendete aus Terrania City. Und das lag jetzt in einer anderen Sterneninsel.
Wäre es Olymp gewesen, Ferrol oder sogar Arkon, man hätte sich keine großen Gedanken gemacht.
Man wäre einfach ins nächste Raumschiff gestiegen und nach Hause gereist.
So aber ... Kreyn versuchte, möglichst selten daran zu denken, doch es klappte nicht.
Der Name der fremden Galaxis lautete Gorhoon. Und die Rasse, die sie widerwillig auf ihrer Welt beherbergte, nannte sich Nonggo.
Wenn er aus dem Fenster blickte, dann sah er den grauen Himmel. Poulton Kreyn machte sich klar, daß er unglaublich weit von zu Hause entfernt gestrandet war, zusammen mit diesen Leuten und dieser fürchterlichen Stadt, die er nicht mal richtig kannte.
Im Lauf der nächsten Tage fügte sich das Puzzle zu einem Bild. Kalkutta-Nord war auf einer Art fliegendem Riesenrad gelandet. Die Hauptstadt der Fremden, Kenteullen, lag nur ein paar Kilometer entfernt.
Zur Milchstraße gab es keinen Kontakt mehr.
Kurz darauf überschlugen sich die Ereignisse. Kreyn bekam mit, daß sich die Nonggo in großen Schwierigkeiten befanden. Die Explosion des Bollwerks erwies sich als verhängnisvoll für das sogenannte Neuron, eine Art universelle Verbindung zwischen allen Nonggo-Individuen des Systems.
Die Fremden standen kurz davor, sich selbst auszulöschen - und die schiffbrüchige Stadt von Terra gleich mit.
Am Ende nahte die Rettung aus einer Richtung, die Poulton Kreyn niemals erwartet hatte.
Mitten in Kalkutta-Nord befand sich ein Knotenpunkt der Brücke in die Unendlichkeit, ein sogenannter Pilzdom. Wieso, weshalb, warum - keiner wußte es.
Jedenfalls kamen aus dem Dom drei Personen zum Vorschein. Die eine war Perry Rhodan, die andere Reginald Bull, und Nummer drei war eine extraterrestrische Witzfigur namens Foremon, die Poulton Kreyn niemals vorher gesehen hatte.
Die Nachricht schien ihm noch unglaublicher als alles andere vorher.
Perry Rhodan.
Was hatte der berühmteste aller Unsterblichen ausgerechnet in Kalkutta zu suchen?
Poulton Kreyn war 233 Jahre alt. Seine Jugend hatte er auf einer Dschungelwelt namens Boyter verlebt, in ständiger Alarmbereitschaft, immer auf der Flucht vor Monos’ Schergen. Damals war die Milchstraße Besatzungsgebiet gewesen. Freie Menschen hatten kaum existiert; höchstens versprengte Ertrusergruppen, so wie die, mit der Kreyn seine Kindheit verbracht hatte.
Die Menschen und Ertruser, die noch aus eigenem Erleben die Dunklen Jahrhunderte kannten,
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