1891 - Das Mädchen Siebenton
erfuhr Siebenton nicht. Sie war jetzt wieder eine Frau des Volkes der Mönche und hatte diese Rolle zu spielen. Das bedeutete körperliche Arbeit, Gehorsam und keine Fragen.
Vorbei waren die Zeiten, da sie das anerkannte Mitglied einer wundervollen Gemeinschaft gewesen war.
Walyon hätte sie verstanden und ihr Raum gelassen für ihre Neugier und ihren Betätigungsdrang, aber Walyon war nicht mehr da. Niemand wußte, ob er überhaupt jemals zurückkam. Sie stand allein und wußte, wie töricht es von ihr gewesen war, sich auf einen Mönch, einen einzigen und ganz bestimmten, zu verlassen.
In. der Folgezeit hatte sie versucht, frühere Bekannte wiederzufinden, aber auch da hatte sie Pech - bis auf eine Ausnahme. Oriwad, inzwischen 167 Jahre alt, hatte sich bereits zum Lagerverwalter in einer großen Fabrik in Bleuht hochgearbeitet. Nun ein Mann, stand ihm der Weg in eine größere Karriere offen. Er freute sich ehrlich, als Siebenton ihn aufsuchte, und beschaffte ihr eine Anstellung in seiner Fabrik, damit sie ihren Lebensunterhalt verdienen konnte.
Sie trafen sich oft privat, wenn beide Freischicht hatten, und dann erzählte ihm Siebenton von ihren Abenteuern, seitdem sie die Kolonne verlassen hatte. Er konnte es anfangs nicht glauben, doch Siebentons überzeugende Art wischte die Zweifel beiseite.
Allerdings konnte auch er ihr nicht helfen. Er bewunderte sie für ihre Erfahrungen, war aber selbst zu sehr Gefangener des gesellschaftlichen Systems der Mönche, um ihr eine Hilfe zu sein. Wenn sie mit den anderen Frauen im Lager hart arbeitete, schwieg sie meistens, wenn sich die anderen unterhielten. Rasch galt sie als Außenseiterin, als arrogant und stur. Doch die Belanglosigkeiten, über die sich die Arbeiterinen unterhielten und aufregten, waren für sie dumme Lappalien, die sie nichtinteressierten.
Sie sah die viel zu komplizierten und ineffektiven Arbeitsabläufe in der Fabrik und hätte Dutzende von Verbesserungsvorschlägen zu machen gehabt, so, wie sie es früher getan hatte. Aber jetzt hielt sie sich damit zurück, um die Kluft nicht noch größer werden zu lassen.
Sie fühlte sich furchtbar allein, wie auf einer einsamen Insel mitten im großen Ozean. Nachts lag sie in der Unterkunft der Arbeiterinnen und hörte sie über sich tuscheln. Dann rauchte sie allein ihre Dozzpfeife und drehte sich auf die Seite, und als die anderen endlich schliefen, träumte sie von den Caliguren und dem Weltraum, von Walyon und sogar manchmal von ihrer Zeit bei Koliwan.
Allerdings kamen auch ihre Alpträume wieder.
Die Jahre vergingen, und sie ließ sich nicht kleinkriegen. Sie gewöhnte sich an die dummen Gespräche und Späße der anderen und nahm um des lieben Friedens willen daran teil, aber in ihrem Innern blieb sie sie selbst. Und kurz bevor ihr auf zehn Jahre befristetet Arbeitsvertrag ausgelaufen war, lernte sie Lokhout kennen.
Lokhout war ein 202 Jahre alter Mönch, der es in seinen 75 Mannesjahren zu hohem sozialen Ansehen und einer einflußreichen Stellung in der Stadtverwaltung von Bleuht gebracht hatte. Der Weg noch weiter nach oben stand ihm weit offen. Er war kein Priester, verkehrte aber mit den höchsten Shaogen-Hütern. Zweimal hatte er sogar eine Audienz beim Seelenhirten erhalten.
Entsprechend konservativ war er eingestellt.
Siebenton hatte ihn zum erstenmal gesehen, als er ihre Fabrik inspizierte. Er hatte sofort Eindruck auf sie gemacht. Lokhout war für einen Mann eine stattliche Erscheinung, groß und gutaussehend. Jedes seiner Worte war wohlüberlegt. Und auch Siebenton mußte ihm aufgefallen sein, denn bei der nächsten Begegnung in einer Dozz-Stube in der Stadt erkannte er sie sofort wieder und kam zu ihr auf die Decke.
Sie unterhielten sich, und am Ende stand eine Verabredung für Siebentons nächsten arbeitsfreien Tag.
Sie trafen sich dann, und Lokhout führte sie mit seinem Gleiter zu einigen der schönsten Parks und Wildnisse auf diesem Teil des Planeten. Siebenton fühlte sich endlich akzeptiert, denn er ließ sich ebenfalls ihre lange Geschichte erzählen. Sie verschwieg nur Walyon und ihre Probleme bei der Arbeit.
Lokhout war mehr und mehr von ihr angetan. Ihre Erlebnisse begeisterten ihn. Gleichzeitig aber machte er klar, daß sie für ihn eine Frau wie jede andere.sei, hier auf Wolkenort, und er sie nur in dieser Rolle als seine Lebensgefährtin sehen wollte.
Es war ein Antrag, und Siebenton nahm ihn ohne Bedenkzeit an. Später fragte sie sich oft, wieso sie sich so schnell
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