1891 - Das Mädchen Siebenton
Mutter zu ihr gewesen, in ihren Kinderjahren. Die beiden Mönchinnen hatten sie in dem Abfallbehälter am Raumhafen im Norden der Hauptstadt Bleuht entdeckt, als sie noch ein Neugeborenes gewesen, war. Niemals hatte man herausgefunden, wer Siebentons Eltern waren, doch Oriwad und Greine, damals als Lagerarbeiterinnen auf dem Hafen beschäftigt, hatten ihre Schreie gehört und sie davor gerettet, mit dem Müll in den insgesamt mehr als hundert Containern auf ein Mondschiff verladen zu werden, das den Abfall auf einen eigens dafür vorgesehenen Planeten brachte.
„So lange?" fragte auch Oriwad. „Aber wer sagt uns, daß es diese Nacht dann nicht regnen wird?"
„Ich sage das", antwortete Siebenton. „Und es wird auch die nächsten Tage und Nächte noch trocken bleiben."
„Was du nicht alles weißt ...", seufzte Greine und griff nach neuen Pflanzen, um sie danach mit ihren bloßen Händen in die vorbereiteten Löcher in der Erde zu stecken und anzuhäufeln. „Wir Frauen sollten nicht soviel wissen."
„Ja", meinte Siebenton nur.
„Und du machst dir trotzdem andauernd Gedanken?" fragte Oriwad. „Das ist nicht gut."
„Ebenfalls ja", antwortete Siebenton und pflanzte die nächsten Setzlinge ein.
„Irgendwann kommt ein Aufseher und nimmt dich uns weg", sagte Greine. „Du wirst es erleben, wenn du so weitermachst."
Siebenton atmete tief aus ihren vier Atemöffnungen aus, die quer unter den beiden gelben, runden Augen in einem Gesicht saßen, das breiter als hoch war. Unter dieser „Nase" befand sich die eigentliche Atemöffnung, ein durch eine innensitzende Membran verschließbarer Kreis. Der zahnlose Mund fand sich links an dem achtzig Zentimeter breiten und dreißig Zentimeter hohen Kopf und führte direkt zur Speiseröhre, links am dünnen Hals und ebenso äußerlich sichtbar wie die vorne verlaufende Luftröhre.
. Sie trieb ihre beiden Gefährtinnen an, bis es zu dämmern begann. Greine warf ihr vor, daß sie die beiden scheuche wie ein Mann. Aber dieses Gemecker kannte sie wie die ewig gleichen Fragen, woher sie dies oder jenes wisse oder weshalb sie sich für dieses und jenes interessiere.
Es war einfach so.
Sie wußte, daß es ihr als - noch dazu junger - Frau nicht zustand. Nur die männlichen Mönche hatten Fragen zu stellen und überhaupt zu denken. Die kräftigeren Frauen waren für die einfachen Arbeiten bestimmt.
Wenn Siebenton aber - so lange warten wollte, dann hatte sie noch rund achtzig Lebensjahre vor sich. Erst mit 120 bis 130 Jähren wechselten die Mönche ihr Geschlecht.
Der Gedanke, so lange zu warten, war für sie unerträglich.
Endlich kam des Abend, und die Mönchinnen zogen sich von den Feldern zurück. Überall traten die Berieselungsanlagen in Aktion und versorgten die ausgedörrte Erde mit dem so sehr benötigten Wasser. Es war natürlich nicht das gleiche, als ob ein langer und kräftiger Regen fallen würde. Aber es konnte helfen, die diesjährige Saat wenigstens anwachsen zu lassen.
„Kommt!" sagte Siebenton zu Greine und Oriwad. „Wir gehen in die Unterkunft. Es ist Zeit für das Abendessen. Wir haben es uns wieder einmal verdient."
„Irgend etwas stimmt nicht mit dir", sagte Greine. „Du sprichst wirklich wie ein Mann."
Aber das hatte sie schon hundertmal gesagt.
*
Die Mönchinnen schlürften ihr Essen mit Hilfe von weichen Schläuchen aus großen Bechern, aus denen es warm dampfte. Mönche nahmen nur flüssige und breiige Nahrung zu sich. Von überall her waren schmatzende und schlürfende Laute zu hören. In dem Großhaus saßen und standen rund hundert Frauen.
Insgesamt gab es sechs Großhäuser im Zentrum der Landwirtschaftlichen Kolonne, der Siebenton seit drei Jahren angehörte.
Als sie gesättigt war, brachte Siebenton den leeren Becher zurück zur Essensausgabe, bedankte sich mit einem Kompliment bei der Köchin, wünschte ihr eine angenehme Nacht und kehrte um zu ihrer Decke an der Innenseite der mit warmem Material isolierten Mauer des Hauses. Trennende Wände gab es im Inneren nicht, nur diesen einzigen großen Raum, wo jede Mönchin ihren Platz für die Nacht hatte oder für die schlechten Tage, an denen nicht auf den Feldern gearbeitet werden konnte.
Natürlich gab es in diesem Bereich auch keine Männer. Nur einmal am Tag erschien einer der Verwalter, um den Arbeitsplan für den nächsten Tag vorzulegen und kurz zu besprechen, was meist sehr einseitig war. Der Besuch erfolgte in der Regel eine Stunde nach der Nahrungsaufnahme. Selten
Weitere Kostenlose Bücher