19 - Am Jenseits
unmöglich!“
Da antwortete Halef:
„Ich habe euch zwar verboten, unaufgefordert zu sprechen, will aber in gnädiger Nachsicht meine Peitsche jetzt noch stecken lassen. Wenn du von Schurken redest, so findest du sie nicht bei uns. Wir halten unser Wort, und zwar ganz genau so, wie es gelautet hat. Mehr kannst und darfst du nicht verlangen. Die Bastonade kommt auf die Fußsohle und wird nicht tödlich sein, hat also mit Leib und Leben nichts zu tun.“
„Das ist Lüge! Der Fuß gehört zum Leib!“
„Wenn dein Leib Sohlen hat, so ist das eine Ausnahme, welche ich ganz gern achte; du wirst also die Bastonade nicht bekommen. Die Mekkaner aber werden wir sehr genau untersuchen. Finden wir, daß sie so wie gewöhnliche Menschen gebaut sind und die Sohlen also nicht am Leib, sondern an den Füßen haben, so sind sie der ihnen bestimmten Strafe unbedingt verfallen!“
„Das sind Spitzfindigkeiten, die ich mir verbitten muß! Ich mache dich darauf aufmerksam, daß ich die Macht besitze, meine Gäste in Schutz zu nehmen!“
„Wieso?“
„Denke an meine Krieger!“
„Sehr gern! Grad jetzt denke ich an sie, nämlich daß sie gegen uns machtlos sind, weil wir dich als Geisel haben!“
„Und an die Soldaten! Ich lasse sie alle erschießen, sobald nur ein einziger meiner Gastfreunde Hiebe bekommt!“
Da bog sich Halef zu einem der in der Nähe sitzenden Haddedihn und gab ihm einen leisen Befehl. Da Halef mein Nachbar war, so hörte ich die Worte; der Mann sollte die Soldaten holen, welche dann hier bei uns zu bleiben hatten. Zu gleicher Zeit sah ich einen der aufgestellten Posten kommen. Er meldete, daß ein Ben Khalid gekommen sei, um seinem Scheik eine wichtige Nachricht zu bringen. Er sprach vorsichtigerweise mit so unterdrückter Stimme, daß kein dazu Unberufener seine Worte hörte. Der Hadschi erteilte ihm die ebenso heimliche Weisung:
„Sag dem Ben Khalid, sein Scheik sei zornig darüber gewesen, daß er gestört werden solle; er wünsche, bis morgen früh in Ruhe gelassen zu werden; es sei hier alles in Ordnung, und der Bote möge also wieder gehen.“
Der Haddedihn entfernte sich. Inzwischen war den Mekkanern nun auch die Sprache gekommen. Sie wagten es, Halefs Peitsche wegen, zwar nicht, ihre Interjektionen direkt gegen uns zu richten, sondern warfen sie Scheik Tawil zu, aber bestimmt waren diese Worte doch, von uns gehört zu werden. Da plötzlich wurden sie still; sie richteten ihre Blicke nach der westlichen Felsenecke, um welche jetzt der fortgeschickte Haddedihn mit den Soldaten kam. Jeder von diesen hatte das Gewehr geschultert und führte sein Kamel an der Leine.
Jetzt war es köstlich, das Gesicht unseres kleinen Hadschi zu sehen, welcher mit kaum verhaltener Wonne den Eindruck beobachtete, den das Erscheinen der Asaker auf den Ben Khalid und die Mekkaner machte. Diese waren still, ganz still, und folgten mit vor Überraschung weit geöffneten Augen den Soldaten, welche nach der Stelle gingen, die ihnen als die ihrige zum Lagern angedeutet wurde.
„Nun?“ fragte Halef endlich den Scheik. „Du wolltest sie doch erschießen. Da sind sie. Tue es!“
Da schrie ihn dieser im höchsten Grimme an:
„Jil'an daknak – verflucht sei dein Bart! Du bist ein Betrüger von innen und von außen. Ich mag mit dir nichts mehr zu schaffen haben!“
Wer die Vorliebe Halefs für seinen an Haaren allerdings sehr armen Bart kennt, der kann sich denken, wie sehr er sich durch diesen Zuruf beleidigt fühlte. Er riß seine Peitsche heraus, strich mit ihr pfeifend durch die Luft und antwortete zornig:
„Das glaube ich, daß du nichts mehr mit mir zu schaffen haben willst, denn du mußt nun trotz deiner bergeshohen Dummheit doch einsehen, daß du das Spiel jetzt ganz verloren hast. Was aber meinen Bart betrifft, so hat ihn mir noch niemand schänden dürfen; den deinigen jedoch werde ich bei deinem nächsten schmutzigen Worte dir mit der Karbatsch so aus dem Gesichte holen, daß auch kein einziges Haar dort sitzenbleibt! Wir sind mit euch vollständig fertig bis zum Morgen. Ihr laßt kein Wort mehr vernehmen, sonst rede ich in der Sprache zu euch, die man nicht nur klatschen hört, sondern auch mit dem Verstand und mit der Haut zu gleicher Zeit versteht! Versucht jetzt zu schlafen! Nach dem Erwachen winkt euch der Morgengruß der Bastonade!“
Diese an die Gefangenen gerichteten Worte konnten wir auch auf uns beziehen, da es nun wirklich Zeit zum Schlafen war. Da galt es freilich, uns gegen die Beni
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