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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und zwar nicht mit seinen gewöhnlichen suchenden, sondern mit zwar leisen aber dabei festen, sicheren Schritten. Die andern waren auch wieder munter; sie standen auf.
    „Sihdi, darf ich mit?“ fragte Halef leise.
    „Ja.“
    „Kara auch?“
    „Nein.“
    „Aber ich?“ fragte der Perser.
    „Ich weiß es nicht; es ist so sonderbar; aber kommt ihr beide mit! Kara muß bei der Mutter bleiben.“
    Der Münedschi ging uns voran, ohne daß ihn jemand führte, stracks von dem Platz fort und in die Wüste hinaus. Seine Haltung war aufrecht, jeder seiner Schritte gewiß und bestimmt, als ob es einen gebahnten, von Schranken eingefaßten Pfad gelte. Es war ganz so, als ob es nicht dunkle Nacht, sondern heller Tag und als ob er nicht blind, sondern sehend sei. Wir folgten ihm mit Staunen.
    So ging es weiter und weiter in ungefähr nördlicher Richtung, grad auf die nächste Felseninsel zu, welche im leisen Schein der Sterne tiefdunkel vor uns lag. Er wich ihr nicht aus und blieb auch nicht halten, sondern stieg die Steilung langsam aber so sicher empor, wie ich, der Sehende, es wohl am hellen Tage auch nicht sicherer hätte tun können. Dabei brauchte er zum Balancieren nur die eine Hand; die andere hielt er unausgesetzt so, als ob jemand, den wir nicht sahen, neben ihm hergehe, und ihn an dieser Hand gefaßt halte, um ihn zu führen. Bei hohen Schritten schien es sogar so, als ob er gezogen werde. Das konnte ich deutlich sehen, weil ich mich gleich hinter ihm befand. Halef und der Perser folgten mir. Das Überraschendste war, daß wir drei in der Dunkelheit öfters strauchelten, der Blinde aber nicht. Es führte nicht etwa ein Weg, auch nichts dem Ähnliches, hinauf, denn wohl noch nie hatte der Fuß eines Menschen diese hohe Felsengruppe berührt. Es gab Stellen, an denen ich die Hände zu Hilfe nehmen und mich festhalten mußte, ebenso meine beiden Begleiter; der Münedschi tat es nicht. Es war mir unbegreiflich!
    Oben angekommen, blieben wir zunächst stehen, um den vom Steigen schneller gehenden Atem sich beruhigen zu lassen; er nicht. Er kniete nieder und betete leise; dies geschah nicht in der den Mohammedanern bei jedem Gebete vorgeschriebenen Richtung nach Mekka, sondern mit nach Süden gewendetem Gesicht, von ihm als Moslem eigentlich eine schwere Unterlassungssünde. Als er sich wieder aufgerichtet hatte, deutete er auf eine kleine, vor uns liegende Felsenerhöhung und sagte:
    „Setze dich auf diesen Stein! Ich werde stehen bleiben, denn nur der Leib ermüdet, der Geist aber kennt keine Verringerung seiner Kraft, und nicht mein Körper, sondern meine Seele ist's, die du jetzt zu dir sprechen hören wirst.“
    Ich folgte dieser Aufforderung, und Halef und der Basch Nazyr ließen sich auch, und zwar eng neben mir, nieder. Hierauf stand er eine ganze Weile hoch aufgerichtet und unbeweglich da, den Kopf ein wenig zur Seite, als ob er in die Ferne lausche. Wir befanden uns in einer ganz ungewöhnlichen Spannung, der wir aber keine Worte gaben, denn in der ganzen Situation und wohl auch in uns selbst lag Etwas, was uns das Sprechen verbot. Da begann er: „Seid mir gegrüßt, ihr Pilger dieser Erde, gegrüßt in der Sprache dieser eurer Welt! Wenn ich zu euch in unserer Weise spräche, ihr würdet nichts vernehmen, denn euer Ohr hat nur Empfängnis für den Schall, durch Schwingungen der Luft zu euch getragen; wir aber sprechen nicht durch dieses Mittel, und unser Wort ist kein Geräusch, ist Tat!“
    Wir horchten höchst verwundert auf, denn das war nicht die Stimme des Münedschi, sondern eine ganz andere. Ich habe Verwandlungskünstler und Stimmenimitatoren gesehen und gehört, deren Leistungen gewiß vortrefflich waren, aber wohl keiner von ihnen hätte es fertiggebracht, nicht nur seine Stimme, sondern auch den Ausdruck derselben so vollständig zu verändern, wie es hier von dem Münedschi geschah. Hätte ich ihn nicht da vor mir stehen sehen, ich wäre überzeugt gewesen, daß wir von einer ganz andern Person angesprochen würden. Er fuhr fort:
    „Richtet eure Blicke empor zum Himmelszelt! Über und hinter euch stehen die Sterne des Herkules, rechts der Adler und Delphin, links die Schlange und vor euch der Schlangenträger mit dem Ras Alhagua und hunderten von Welten, von denen ihr nur wenige als kleine Punkte erkennt. Darüber hin zieht sich die Saman oghrisi (Milchstraße), bestehend aus noch nie gezählten Himmeln, deren jeder wieder in andere neue Himmel führt. So schaut ihr von euch aus nach allen

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