19 - Am Jenseits
Seiten hinaus und hinein in Millionen und Milliarden Ewigkeiten und haltet eure kleine, ach wie beschränkte irdische Weisheit doch für klug genug, den Herrn und Schöpfer dieser Welten und Äonen im letzten, höchsten, herrlichsten der Himmel zu entdecken. Ich sage euch: es gibt keinen Himmel, welcher der höchste, der letzte ist. Wie diese Himmel alle doch nur einen einzigen bilden, so ist der Herr auch nur in diesem einen, nicht in einem besonderen zu suchen, und wenn ihr ihn nicht im Mittelpunkt eures irdischen Firmamentes findet, also hier bei euch selbst, so werdet ihr ihn dort in jenen Himmeln auch vergeblich suchen. Ihr findet ihn weder hier noch dort, weil ihr die falschen Augen öffnet, die richtigen aber fest geschlossen haltet. Ihr sucht ihn so, wie ihr nach der Erkenntnis irdischer Dinge trachtet, nämlich mit den Augen eurer Wissenschaft, die doch schon, um nur Irdisches zu sehen, der Brille bedarf. Die Augen des Glaubens aber, welche nie eines Glases bedürfen und bedürfen werden, haltet ihr geschlossen.“
Er machte eine kurze Pause. Bisher hatte er laut, mit voller Stimme gesprochen; nun fuhr er, wie wenn man so recht eindringlich und vertraulich reden will, in unterdrücktem Tone fort:
„Ich habe euch etwas Himmlisch-Wichtiges zu sagen; schenkt mir die Aufmerksamkeit nicht nur eures Geistes, sondern auch eures Herzens! Ihr unterscheidet am Menschen Leib, Seele und Geist; ihr sprecht von Kopf und Herz, vom Verstehen, Fühlen, Erkennen und Wollen, von Vernunft, Verstand und Gefühl. Könntet ihr euch sehen, wie ich euch sehe, indem mein Auge jede innerste Faser eures Körpers und die verborgenste Regung eures Geistes, eurer Seele durchschaut, so würde euch klar werden, wie falsch alle diese Unterscheidungen sind. Der geistige Mensch kann nicht zergliedert werden wie der Körper; er ist nicht mit verschiedenen Kräften und Vermögen tätig, wie der Körper es bald mit den Armen, den Beinen, bald mit den Augen oder den Ohren ist. Selbst wenn ihr diese Tätigkeit nach ihren verschiedenen Weisen und Richtungen bezeichnet, bedient ihr euch falscher Namen. Wie es keine Grenze zwischen Gottes Allmacht, Allweisheit und Alliebe gibt, denn Gott ist Eins, so sind auch bei seinem Ebenbilde, dem Menschen, das Denken, das Fühlen, das Wollen nicht voneinander zu trennen, denn der geistige Mensch ist auch Eins. Doch muß ich mich eurer Weise anbequemen, weil ihr mich sonst nicht verstehen würdet. Hört und merkt euch genau, was ich euch jetzt sage! – – –: Der Mensch ward ein Pilger auf Erden, um ein Bürger des Himmels zu werden. Er hat hier zu säen, um dort ernten zu können. Er hat hier die Augen zu öffnen, um dort sehend zu sein. Er hat hier zu lernen, um dort zu bestehen. Nach seiner Arbeit hier richtet sich dort sein Lohn, denn seine Werke folgen ihm ins Jenseits nach, die guten sowohl wie auch die bösen, und wer hier seiner Trägheit frönt und nicht rastlos und unausgesetzt für den Himmel wirkt, der tritt in jenes Leben mit leeren Händen ein und wird zurückgewiesen werden. Sprecht ja nicht in eurer Bequemlichkeit: ‚Ich hüte mich ja, Böses zu tun und muß also selig werden!‘ Wer so sich nur hütet, von der Arbeit nicht beschmutzt zu werden, wer so hier nur von Gottes Gnade lebt wie ein fauler Sohn vom Reichtum seines Vaters, der erwirbt nichts für die Ewigkeit und tritt dereinst als Bettler vor Gottes Thron. Am Jenseits aber wird der Bettler abgewiesen, denn wer das Mitleid Gottes hier verbrauchte, dem bleibt nichts davon für den Himmel übrig! So ist also das Erdenleben eine Vorbereitung auf das große, einstige Examen. Das Zelt, welches du als Pilger hier aufschlägst, es sei dir ein Kalyb (Modell) des Hauses, welches dich in jenem Leben erwartet! Du darfst nicht nur, nein, du sollst sogar dir dieses Zelt so fest und sicher wie möglich bauen; du sollst es schmücken und verschönern mit den Gaben, welche dir verliehen sind. Du sollst die Erde mit allem, was sie trägt und bietet, kennenlernen; du sollst die Kräfte, mit denen, und die Gesetze, nach denen Gott hier waltet, wohl mit Fleiß studieren; du sollst die Erscheinungen der irdischen Natur und die Entwickelung des Menschengeschlechtes mit steter Aufmerksamkeit verfolgen und ja nicht versäumen, auch deinen Teil für den auf das Glück dieses Geschlechts gerichteten Fortschritt beizutragen, aber du darfst dabei nie vergessen, daß du hier eben nur in einem Zelt wohnst, welches Gott, der Herr, von Augenblick zu Augenblick
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