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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Khalid sicherzustellen, und darum gab Halef in Beziehung auf den Wachtdienst, an welchem sich auch die Soldaten zu beteiligen hatten, so umfassende Befehle, daß wir eine Überrumpelung nicht zu befürchten hatten. Feuermaterial war, wenn sparsam damit umgegangen wurde, zur Genüge vorhanden, um wenigstens einigermaßen Licht zu haben beim Tränken der Kamele, welches, allerdings in Pausen für das Ansammeln des Wassers, während der ganzen Nacht fortgesetzt werden mußte.
    Wir drei, Halef, Kara und ich, wollten nicht am Feuer bleiben, sondern wir holten unsere Pferde und führten sie zum Tachterwahn hinüber, um zum Schutze für Hanneh und den Münedschi uns dort niederzulegen. Der Perser kam uns nach, und wir hatten natürlich nichts dagegen, daß er bei uns blieb.
    Selbstverständlich wurde das heutige Erlebnis erst noch gründlich durchgesprochen. Der Befriedigtste von uns allen war Khutab Agha. Noch vor kurzer Zeit ein Gefangener und mit geöffneten Adern dem Tod geweiht, war er jetzt frei, befand sich im Besitze der geraubten Gegenstände und hatte die Gewißheit, die Diebe streng bestraft zu sehen. Das Paket lag natürlich bei ihm, denn es wäre ihm nicht eingefallen, sich nur einen Augenblick davon zu trennen.
    Zu erwähnen brauche ich wohl nicht, daß Hanneh teils ihres Planes, teils auch ihrer Bastonadenentscheidung wegen von Halef mit den wohlklingendsten Zensuren bedacht wurde. Sie nahm sie als ganz selbstverständlich, weil wohlverdient, entgegen und zog sich dann befriedigt hinter die Vorhänge ihrer Sänfte zurück. Der Münedschi saß mit dem Rücken an den Felsen gelehnt und schlief. Für die Befriedigung seiner leiblichen Bedürfnisse hatte Hanneh während des Abends gern gesorgt. Speise war von ihm nur wenig, Wasser aber öfters genommen worden. Dann hatte er, den Fackelgang zu den Beni Khalid abgerechnet, die ganze Zeit in seinem eigentümlichen traumwachen Zustand und dabei fast immer rauchend, zugebracht. Wie uns Hanneh am nächsten Tage berichtete, war es für sie nicht bequem gewesen, ihm so oft Feuer zu geben. Tabak und Kibritat (Zündhölzer) hatte sie allerdings für ihn genug gehabt; aber da das Aufleuchten der Hölzer nicht zu uns hinüberscheinen durfte, war sie gezwungen gewesen, das Anbrennen hinter der Sänfte vorzunehmen und da die ersten Züge immer selbst zu tun. Auf die Gefahr hin, indiskret zu erscheinen, will ich die hochverräterische Bemerkung machen, daß die Beduininnen im Anzünden eines Tschibuk nicht ganz unbewandert sind und man von Hanneh in keiner Beziehung sagen konnte, sie stehe ihren Stammesgenossinnen nach. Alt, sehr alt und ganz durchsogen freilich war die Pfeife des Blinden, doch weiß ein von Mitleid erfülltes Frauenherz selbst solche, sagen wir einmal, Malpropretäten zu überwinden.
    Wie gewöhnlich vor dem Schlafengehen liebkoste ich meinen lieben Rappen, sagte ihm die gewohnte Sure ins Ohr und hüllte mich dann in den Haïk, um einzuschlafen. Es sollte dieser Absicht jetzt noch nicht gelingen, von Erfolg zu sein, denn als der wohlbekannte und vielbesungene Effendi Morpheus eben um den Tachterwahn geschlichen kam, um mir die Augen zuzudrücken, begann der Münedschi sich zu regen, wobei er in eigentümlicher Weise vor sich hinsprach, ungefähr so – es gibt keinen besseren Vergleich – wie man die Stimme eines träumenden Vogels hört. Diesen leisen, abgerissenen Lauten folgten die lauteren, besser zusammenhängenden Worte:
    „Er ist da – –? Ja, ich gehorche dir – – – ich sage es ihm – ich gehe mit ihm – – – führe mich nur – – –!“
    Er rückte von dem Felsen ab, bewegte den Kopf wie suchend nach beiden Seiten und fragte:
    „Ist Akil Schatir Effendi da?“
    „Ja, hier liege ich“, antwortete ich.
    „Du liegst? Willst du jetzt schlafen?“
    „Ja.“
    „Laß deine Seele jetzt nicht schlafen, sondern wach sein! Steigt ein Strahl des Himmels nieder, muß er dich gerüstet finden, ihm dein Inneres zu öffnen und ihn dankbar aufzunehmen!“
    Wie klang das? Das war gebundene Rede! Es war seine Stimme und schien doch nicht die seinige zu sein!
    „Steh auf“, fuhr er fort, „und hilf auch mir empor! Ich soll dich führen.“
    „Wohin?“ fragte ich, indem ich den Haïk von mir warf und mich erhob.
    „Das weiß ich nicht; frage nicht; du wirst es sehen!“
    Ich gab ihm die Hand und richtete ihn auf.
    „Komm, folge mir!“
    Indem er diese Aufforderung aussprach, ließ er meine Hand wieder los und verließ den Platz,

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