19 - Am Jenseits
stehenbleibt und nicht einmal mehr zuckt, dann werfe ich wirklich, und zwar die drei Speere schnell hintereinander.“
„Maschallah! Alle drei? Warum das?“
„Er wird glauben, daß ich nur einen werfe und darum seine ganze Aufmerksamkeit nur auf diesen und nicht mehr auf mich richten. Während er den Bogenflug des Speeres verfolgt und aufwärts blickt, sieht er wahrscheinlich gar nicht, daß ich wieder werfe. Dieser zweite Speer wird ihn treffen, und wenn ja nicht, so doch ganz gewiß der dritte. Es ist dazu freilich notwendig, daß man erstens ein guter Dscherid-Werfer ist und zweitens ein scharfes und geübtes Auge dafür hat, nach welcher Seite der Gegner ausweichen will; denn nach dieser Seite hat man den zweiten Wurf zu richten.“
„Ich danke dir, Sihdi! Das ist eine Lehre, die ich in Übung nehmen werde. Ich wollte, das Los drückte mir die Speere in die Hände; ich würde es genau so machen, wie du uns jetzt geraten hast! Und wie würdest du dich bei dem Ringkampf verhalten?“
„Das käme auf den Gegner und auf die Art und Weise an, in der er vorgenommen werden soll, und da ich beides nicht kenne, ist es mir also unmöglich, einen Plan zu haben. Es gibt Ringkämpfe verschiedenster Art. Es handelt sich hier jedenfalls um den bei den Beduinen der Arabischen Wüste ganz gewöhnlichen, daß man den Gegner ohne Befolgung irgendeiner Vorschrift so niederzubringen sucht, daß der Besiegte den Boden mit dem ganzen Körper, also nicht nur mit einem Teil, nur Händen und Knien, berührt.“
„Da wollte ich, daß dies mir zufiele!“ wünschte Omar Ben Sadek. „Mir sollte der stärkste Ben Khalid gar nicht lange aufrecht stehen bleiben!“
Omar war, wenn man ihn so wie jetzt stehen sah, scheinbar allerdings nicht geeignet, einem Gegner große Besorgnis einzuflößen; er besaß weder eine hohe noch eine ungewöhnlich breite Gestalt; aber wer ihn unbekleidet gesehen hatte und vielleicht gar wußte, wie oft schon er seinen Mann gestellt hatte, der traute ihm gewiß mehr zu, als ihm anzusehen war. Grad im Ringen schienen seine Muskeln von Eisen und seine Sehnen und Nerven von Stahl zu sein. Wenn er sich mit auseinandergespreizten Beinen hinstellte, die Fäuste ballte und die Ellbogen fest an den Körper legte, hatten mehrere Männer sich anzustrengen, wenn sie ihn von der Stelle, auf welcher er stand, fortbringen wollten. Seine Beine glichen dann Säulen, die nicht ins Wanken zu bringen sind. Und diese Zähigkeit besaß, ich möchte sagen, jedes einzelne Glied von ihm nicht nur im Zusammenwirken, sondern auch für sich besonders.
„Ja, um dich hätte ich da keine Sorge“, stimmte Halef bei. „Dich bringt keiner nieder. Und deinen Griff zum langsamen Hinlegen dessen, den du gepackt hast, macht dir sogar keiner von unseren Haddedihn nach!“
„Das ist nicht ‚mein‘ Griff, denn ich habe ihn ja von unserm Effendi gelernt. Er ist sehr leicht; aber die Finger, die dürfen freilich, wenn sie sich einmal eingebohrt haben, keinen Augenblick nachgeben; das ist die ganze Kunst. Wenn dieses Los mir zufiele, könntet ihr unbesorgt um unsere Ehre sein. Aber, Sihdi, wie hältst du es damit, daß der Kampf auf Tod oder Leben gehen soll? Die Beni Khalid werden uns freilich nicht im geringsten schonen. Meinst du, daß wir ebenso streng mit ihnen verfahren?“
„Eigentlich ist diese Frage überflüssig“, antwortete ich, „denn meine Ansichten in dieser Beziehung sind euch ja bekannt. Wenn ich einen Feind unschädlich machen kann, ohne ihm das Leben zu nehmen, so lasse ich es ihm. Das gebietet mir schon die einfachste Menschlichkeit, von meinem christlichen Glauben gar nicht zu sprechen. Freilich dürfen wir diese Rücksicht nicht so weit treiben, daß der Sieg in Frage gestellt wird. Es ist gesagt worden, daß wenigstens Blut fließen soll; das können wir nicht ändern; aber notwendig ist es doch nicht, daß die Verletzungen tödlich sind. Wenn die drei Beni Khalid nur verwundet werden, sind sie für uns ebenso unschädlich geworden, als ob sie nicht mehr lebten; die Hauptsache ist, daß sie sich nicht vom Boden erheben können.“
„Es ist aber doch bestimmt, daß der Besiegte glatt an der Erde liegen soll!“ warf Halef ein.
„Das bietet keine besondere Schwierigkeit, denn wer zum Beispiel von einer Kugel so getroffen wurde, daß er in die Knie zusammenbricht, bei dem erfordert es ja nur noch einen Stoß der Hand, um ihn vollends hinzulegen. Ich würde also nach seinem Knie, nicht nach dem Kopf oder Herzen
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