Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Halefs Kopf hinweg inden Sand.
    Das war nicht schlechter als das erste Mal; aber nun wurde doch gezürnt, denn die Siegessicherheit war von drei Dritteln auf eines, und zwar auf das letzte gefallen!
    Es wurden dem Ben Khalid eine solche Menge von Ratschlägen zugerufen und so kräftige, moralische Rippenstöße versetzt, daß er sich zornig umdrehte und seinen Leuten zurief:
    „Ich brauch euer Besserwissen nicht! Wenn ihr mehr könnt als ich, warum habt ihr euch nicht gemeldet. Kommt her, und macht es anders! Ich lasse mich von – – –“
    Er wurde in seiner Rede durch einen scharfen Pfiff Halefs unterbrochen, dem er sich jetzt wieder zuwendete.
    „Was fällt dir ein, dich umzudrehen!“ tadelte ihn der Hadschi. „Wenn ich das benutzt und geworfen hätte, wärst du jetzt eine Leiche!“
    „Warum hast du es denn nicht getan?!“ hohnlachte der andere.
    „Weil der Scheik der Haddedihn keinen Feind heimlich angreift. Diese meine Ehrlichkeit hat dich gerettet!“
    „Bilde dir das nicht ein! Wer weiß, wohin dein Speer geflogen wäre! So nahe wie ich dir kommst du mir nicht!“
    „Natürlich!“
    „Laß deinen Spott! Bis jetzt habe ich nur probiert, nun aber werde ich dich gewiß durchbohren, wie ich den Dscherid in der Hand halte!“
    „Natürlich!“
    Es war klar, daß Halef durch die immerwährende Wiederholung dieses lächerlich gewordenen Wortes seinen Feind in Aufregung setzen und dadurch veranlassen wollte, auch noch den dritten Wurf zu tun. Diese Absicht erreichte ihren Zweck, denn der Ben Khalid schrie jetzt wütend:
    „Ja, natürlich, natürlich und zum drittenmal natürlich, ganz natürlich! Ich werde dir beweisen, daß es so ist!“
    Er tat, um mehr Wucht geben zu können, einige Schritte zurück, holte aus und schleuderte, wieder vorwärtsspringend, den Speer mit solcher Kraft, daß wir sein summendes Zischen hörten. Dann stand er bewegungslos, um mit weit vorgelegtem Oberkörper und stieren Augen den Flug der Waffe zu verfolgen, denn sie mußte, mußte und mußte treffen, weil sie die letzte war!
    Halef hatte zwei Speere in der linken und den dritten in der rechten Hand. Er sah, daß der Speer richtig gezielt war und ganz genau auf ihn zugeflogen kam; es schien, als könne er sich nur durch einen Seitensprung retten. Aber der Hadschi war zu ehrliebend, als daß er hätte von sich sagen lassen mögen, daß er auch nur einen Finger breit von seinem Platz gewichen sei. Die rechte Faust bereit haltend, sah er der feindlichen Lanze scharf entgegen; die beabsichtigte, lebensgefährliche Parade gelang: Wir hörten die Speere zusammenschlagen – der feindliche flog, seitwärts abgelenkt, vorüber!
    Da erschollen nicht etwa hundert Schreie, sondern es war nur ein einziger Schrei, der aus mehreren hundert Kehlen kam. Der Wurf war ausgezeichnet gewesen; er hatte treffen sollen und hätte auch absolut treffen müssen, unbedingt getroffen, wenn diese gewagte und so außerordentliche Parade nicht gewesen wäre! Dazu kam, daß dies die letzte Waffe des zweiten Ganges war. Man kann sich also die Enttäuschung, die Empörung der Beni Khalid über dieses Mißlingen denken! So viele Männer die zählten, so viele Stimmen schallten durcheinander, bis diejenige des Scheiks, sie alle übertönend, Ruhe gebot.
    „Seid still!“ rief er. „Der Gang ist ja noch nicht vorüber! Wenn der Haddedihn auch nichts trifft, so ist noch gar nichts verloren! Er mag nun auch zeigen, was er kann, oder vielmehr, was er gar nicht kann!“
    Dieser Scheik sagte sich nicht, daß eine so meisterhafte Art der Abwehr auch in Beziehung auf den Angriff auf ein ungewöhnliches Können schließen ließ! Es trat wieder Ruhe ein, und der frühere Besitzer von drei Speeren ließ seine vor Wut heiser klingende Stimme erschallen, um dem Hadschi allerhand zu sagen, was alles aber nur nicht höflich war, doch auch nicht direkt beleidigend. Es war so, wie der Scheik gesagt hatte: der jetzige Augenblick lag auf dem Mittelpunkte der Waage. Wenn Halef dasselbe Unglück hatte und der dritte Gang von den Feinden gewonnen wurde, so gab es keine Entscheidung, und es mußte wahrscheinlich beschlossen werden, noch einmal von vorn anzufangen. Darum war, wenigstens bei den Beni Khalid, die Spannung jetzt auf das höchste gestiegen.
    Halef sah die Augen aller auf sich gerichtet. Ich nahm an, daß er seinen Gegner nun für einige Zeit mit Finten beschäftigen werde; er tat dies aber nicht. Später erklärte er mir auf meine darauf bezügliche Frage, daß

Weitere Kostenlose Bücher