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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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erste Kugel wartete?“
    „Nun?“ fragte ich.
    „Ich hatte keine Sorge um mich, nicht die geringste; aber ich wußte, daß nicht ich es war, der dort stand, sondern der ganze Stamm meiner lieben, lieben Haddedihn. Und als ich dreimal nicht getroffen worden war und ihn in meine Hand gegeben wußte, da hatte ich die feste Überzeugung, daß von meinen drei Kugeln zwei überflüssig seien, weil gleich die erste ihre Schuldigkeit tun werde. Mein Schuß hat diesen Beni Khalid die Frage entgegengekracht: Wenn bei den Haddedihn schon die Knaben so sicher treffen, wie erst müssen da wohl die Männer schießen!“
    „Du bist von dieser Stunde kein Knabe mehr, mein braver Kara Ben Halef. Ich will es jetzt sein, der auf den ‚unerfahrenen Jungen‘ die richtige Antwort gibt: Du hast von jetzt an das Recht, an allen unseren Beratungen teilzunehmen. Ich gebe es dir als dein Lehrer und als der treuste Freund des Stammes, der stets bereit ist, sein Leben für euch einzusetzen!“
    Er trat in freudigem Schreck einen Schritt zurück und fragte fast stammelnd:
    „Ist das wahr, Effendi, wirklich wahr?“
    „Ja. Und ich hoffe, daß die Dschema, die Versammlung der Ältesten, es bestätigen wird!“
    Da ergriff er meine beiden Hände, drückte sie an sein Herz und küßte sie dann. Sein Vater nahm sie ihm und sagte dann, die Augen voll schneller Tränen, zu mir:
    „Natürlich wird die Dschema jedes deiner Worte bestätigen, Sihdi! Du bist nicht nur unser Freund, sondern du gehörst unserm Stamm und er gehört dir! Du bist der Herr und Besitzer aller unserer Herzen. Ich bin der Scheik, und doch bist auch du unser Scheik, wenn auch in anderer Weise. Für den Rang, den du bei uns einnimmst, ist das rechte Wort noch nicht erfunden worden; aber du darfst auch ohne dieses Wort sicher sein, daß die Ehrenstelle, die es bezeichnen würde, dir für die ganze Zeit des Lebens Anspruch auf unsern Gehorsam und auf unsere Liebe gibt. Du hast diese Stunde zu einer Stunde der Freude, des größten Stolzes für mich gemacht. Ich werde von ihr noch sprechen und erzählen, wenn mir die Zunge des Alters zu andern Erzählungen zu schwer geworden ist!“
    Hanneh dankte mir auch, und zwar in echter Frauenweise:
    „Ich bitte dich, Effendi, sag' deiner Emmeh, der Bewohnerin deines Zeltes, von mir, daß sie dich stets recht herzlich, recht wahr und innig lieben soll! Du bist ein unerschöpflicher Spender der Liebe; ihr Quell, der in dir liegt, kann zwar nie versiegen, aber trotz seiner Fülle soll er doch auch nehmen dürfen und empfangen, was er gibt. Sage ihr also das, und füg' hinzu, daß Hanneh auch dich liebt!“
    „Ja, vergiß das nicht, und teile ihr mit, daß ich das gern erlaube!“ bekräftigte der kleine Hadschi. „Nun wird der Kampf mit den Speeren gleich beginnen. Ich sage euch: Ich hätte meinen Mann auch schon so gestellt, aber das Bewußtsein, der Nachfolger meines siegreichen Sohnes zu sein, dem von unserm Effendi die höchste Kriegerehre zuteil geworden ist, wird mir Unüberwindlichkeit verleihen. Ich fühle, daß ich nicht in den Kampf gehe, sondern nur zum Spiel, und ich werde es gewinnen, wie Kara es gewonnen hat!“
    Diese freudige Zuversichtlichkeit war von nicht geringem Wert. Sie machte auch auf den Perser einen wohltätigen Eindruck; das ersah ich aus den Worten, mit denen er sich an mich wendete:
    „Du kannst gar nicht glauben, wie besorgt ich war! Es geht ja um das Eigentum der heiligen Stätte, welches schon in meinen Händen lag und wieder auf die Spitze des Wagnisses gelegt worden ist. Jetzt aber bin ich fast wieder ganz ruhig geworden, wir haben zwar erst nur einen Sieg errungen und müssen wenigstens zwei haben, doch wenn ich Halef so sehe und so sprechen höre, ist es mir, als hätte er seinen Gegner schon in den Sand gestreckt. Wie denkst du darüber?“
    „Ich wünsche dir bloß, so ruhig zu sein, wie ich es bin. Halef ist ein ausgezeichneter Dscheridwerfer. Er hat mir so oft Gelegenheit gegeben, ihn zu bewundern, daß mich sein Gegner, zumal wir ihn gesehen haben, gar nicht bange machen kann.“
    „Aber denke an die Muskeln seines Armes!“
    „Die hat der Hadschi auch, und sie sind es ja nicht allein, worauf es ankommt. Horch! Es soll losgehen!“
    Es war dem Scheik Tawil Ben Schahid gelungen, die Ruhe wieder herzustellen; er hatte den Schwerverwundeten hinter die Linie schaffen lassen und schritt nun die Entfernung ab, welche zwischen den Speerwerfern zu liegen hatte. Der ‚Vater der

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